Wie “Family Guy” auf Kokain und LSD

Dass Cartoons nicht nur etwas für Kinder sind, ist wohl jedem spätestens seit den “Simpsons” klar. Doch in den letzten Jahren scheint die sogenannte “Adult Animation” einen regelrechten Siegeszug zu feiern. Nun schickt der Streaming-Anbieter Netflix mit “Paradise PD” eine neue Zeichentrick-Serie für Erwachsene ins Rennen – und die hat es wirklich in sich. Ok, gleich vorneweg: “Paradise PD” ist bei weitem nicht so gut wie die meisten seiner Geschwister. Die Serie ist laut, unglaublich vulgär, bis ins Mark infantil und wahnsinnig brutal – aber genau das macht ihren Charme aus. Denn genau dafür stehen die meisten Vertreter der “Adult Animation”: nämlich Grenzen überschreiten und Dinge tun, die in einer “normalen” TV-Serie unmöglich wären. Kurz zur Handlung: Der kleine Kevin will unbedingt eines Tages Polizist werden – wie sein Vater Randall. Doch als er diesem mit dessen Waffe aus Versehen die Hoden abschießt, geht alles den Bach runter. Randall muss von nun an Hormonpflaster nehmen,  seine Frau verlässt ihn und der Job als Bulle ist auch nicht mehr das, was er mal war. Als neuer Chief hat er zudem eine fleischgewordene Chaostruppe unter sich: der drogensüchtige Spürhund Bullet, den senilen Stanley, die gewalttätige Gina, den übergewichtigen Dusty und den pazifistischen Fitzgerald – sie alle bilden das Police Department der Stadt Paradise. Der mittlerweile volljährige Kevin tritt dem Team trotzdem bei. Gemeinsam wollen sie einen Drogenring auffliegen lassen, der eine neue Sorte Meth verkauft – doch leider kommen ihnen ständig perverse Auto-Roboter, Heroin-Hühnchen, wrestelnde Hunde und “Dungeons & Dragons” in die Quere. Das eben beschriebene sind nur etwa vier der insgesamt zehn Episoden der ersten Staffel. Denn müsste man “Paradise PD” mit einem Wort beschreiben, dann wäre das wohl am ehesten “gestört”. Diese Serie lässt absolut kein Tabu aus und schockt mit jeder Folge aufs Neue. Vom Humor kann man es am ehesten mit “Family Guy” auf einem Cocktail aus Kokain und LSD vergleichen. Hier werden wirklich Witze über alles und jeden gemacht. Egal ob Hillbillys, Rassisten, dicke Menschen, Frauen, Männer, Behinderte, alte Menschen, Politiker oder Schauspieler – ähnlich wie in den meisten seiner Serienkollegen kriegt jeder sein Fett weg. Und das ist gut so. Viele beschweren sich heutzutage, dass die “Simpsons”, als der Ursprung der Adult Animation, immer unlustiger, unspektakulärer und irrelevanter werden. Das stimmt bis zu einem gewissen Grad auch – aber man muss sich einfach mal die Konkurrenz genauer anschauen. Gegen Serien wie “Bojack Horseman”, “Archer” oder auch “Rick & Morty” sieht die Familie aus Springfield einfach alt und vor allem überholt aus. Denn sie überschreiten Grenzen, sprechen Tabu-Themen an, sind extrem und – man will es kaum glauben – oft auch tiefsinnig. Letzteres gilt zwar eher nicht für “Paradise PD”, aber dennoch macht die Serie unglaublich Spaß – vor allem wenn man den richtigen Humor dafür hat. Sie steht im Kern für all das, was Adult Animation ausmacht. Denn “Paradise PD” beweist, dass es in der Welt der Erwachsenen-Cartoons keine Grenzen und Tabus gibt. Oft sind sie so nah am Rande des guten Geschmacks, dass man schon in den dunklen Abgrund der Pietätlosigkeit schauen kann. Aber dennoch werden sie immer beliebter, relevanter und von Kritikern gefeiert. Natürlich werden diese Serien nie dieselbe Aufmerksamkeit und Anerkennung wie “Game of Thrones” oder “Breaking Bad” erfahren. Aber das ist auch gut so. Denn am Ende des Tages ist es schön zu wissen, dass es so etwas wie “Paradise PD”, “Rick & Morty” oder “South Park” gibt – etwas, bei dem Autoren noch unentdeckt vom Mainstream ihre verrücktesten Fantasien ausleben und dabei verschiedenste Misstände anprangern können. Denn in der heutigen Unterhaltungsindustrie sind originelle Produktionen, die anecken und polarisieren, äußerst rar geworden. Aber zum Glück gibt es noch so Helden wie das “Paradise PD”. Von Martin Arnold

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