Rocketman: Die menschliche Jukebox
Bevor ich Rocketman sah, hätte ich auf Anhieb vielleicht zwei Songs von Elton John beim Namen nennen können. Den einen kannte ich im Kontext der Beerdigung von Lady Di, vom anderen kannte ich die schnulzige Cover-Version der Band Blue aus den 2000ern. Doch nach dem Film muss auch ich sagen: Der Typ ist eine wandelnde Jukebox! Und der Film hat mir wirklich gut gefallen…
Sir Elton John! Irgendwie verbinde ich mit dem Namen nicht allzu viel Persönliches. War nicht so richtig meine Zeit (Baujahr 1988). Dass waren Freddie Mercury und Queen allerdings auch nicht – und dennoch ist mir die Musik bisher deutlich nähergekommen als die des britischen enfant terribles.
Nun saß ich da also in Rocketman und wusste nicht so recht was mich eigentlich erwartet. Nach rund 120 Minuten wurde mir dann aber klar, dass auch Johns Musik mich durch viele Lebensphasen begleitet hat – wenn wohl auch eher unterbewusst. Die Musik des exzentrischen Popstars spielt in Rocketman die größte Rolle. Seine Lebensphasen werden in dem Biopic immer wieder mit Songs verarbeitet – dabei lässt sich als Laie natürlich nur schwer sagen, ob gewisse Songs wirklich genau auf das anspielen, wie es im Film dargestellt wird. Doch ohne Kenntnisse klang das alles ganz nachvollziehbar.
Keine einfache Kindheit
Natürlich hatte der gute Elton, der eigentlich Reginald heißt, keine allzu einfache Kindheit. Sein Vater interessierte sich nicht für die Wünsche und Ängste des Jungen, seine Mutter hatte nur wenig Zeit. Und so war es seine Großmutter, die ihm zumindest etwas Liebe mitgeben konnte und letztlich auch zum Klavierspielen motivierte. Rocketman gewährt einen ausführlichen Blick in die Kindheit von John, beschäftigt sich danach vor allem mit der Anfangszeit des begabten Musikers.
Als junger Erwachsener spielt er in einer Band und trifft auf den Texter Bernie Taupin, mit dem er seine größten Songs schreibt und bis heute befreundet ist. Nach ersten Auftritten in den USA wird John schnell weltberühmt und verdient die ersten Moneten. Der Erfolg weckt aber natürlich auf allen Seiten Begehrlichkeiten und so darf auch der obligatorische Ausflug in den Drogen- und Alkoholsumpf nicht fehlen.
Wie Freddie Mercury in Bohemian Rhapsody, ist auch Elton John eine tragische Figur, die einfach nur Aufmerksamkeit und Liebe möchte. Immer wieder erstaunlich zu sehen, welche Parallelen es zwischen den ganzen großen Musik-Stars dieser Welt gibt. Kingsman Taron Egerton schlüpft in Rocketman in die Rolle des Paradiesvogels und macht dies hervorragend. Er gibt seiner Figur den genau richtigen Touch Persönlichkeit und erweist sich als respektvolles und dennoch authentisches „Double“. Der britische Jungstar singt die Songs selbst und beeindruckt dadurch natürlich noch mehr. Von den Nebenfiguren gefällt besonders Jamie Bell als treuer Schreibpartner Bernie Taupin. Er verkörpert die Freundschaft zu Elton John sehr berührend. Als Gegenspieler der Geschichte fungiert dagegen Richard Madden als Elton Johns Manager John Reed. Als knallharter Geschäftsmann geht er regelrecht über Leichen und nutzt Elton Johns Liebe zu ihm gnadenlos aus. Sehr überzeugend und fast schon beängstigend gut!
Der Film von Regisseur Dexter Fletcher (Kick-Ass) geht außerdem sehr offen mit Johns Homosexualität um und macht seinen gedanklichen Zwiespalt mit der nötigen Vorsicht massentauglich. Fletcher setzt zudem auf deutlich mehr Musical-Szenen als sein Pendant Bohemian Rhapsody, der ja auch von Fletcher inszeniert wurde. Ob dies gefällt ist natürlich auch eine Frage des eigenen Geschmacks.
Sex, Drugs & Rock’N’Roll
Übrigens: Elton John hatte beim Film selbst auch seine Finger im Spiel und sorgte letztlich dafür, dass der Film so geworden ist, wie er es sich vorstellte. Das heißt auch: Keine Beschönigung oder Verharmlosung. Dies unterscheidet ihn ebenfalls zu Bohemain Rhapsody, dem durch das Auslassen vieler entscheidenden Momente in Mercurys Leben, genau das vorgeworfen wurde. In Rocketman bekommt der Zuschauer dagegen die volle Dröhnung Sex, Drugs und Rock’N’Roll – auch dieser Ansatz wird dagegen nicht jedem gefallen.
Letztendlich ist zu sagen, das Rocketman vieles richtigmacht und eine Phase des Lebens von Elton John hervorragend auf die Leinwand bringt. Zwar wird nur ein kleiner Teil des Lebens von John angeschnitten (bis etwa 1990) – dieser dafür jedoch ziemlich ausführlich und keinesfalls lebensbejahend. Nach Bohemian Rhapsody bringt Fletcher mit Rocketman nun ein weiteres Biopic in die Kinos, welches sicherlich dafür sorgt, dass man am Abend nach dem Film nochmal schnell die Spotify-Playlist anschmeißt. Und sich dann wundert, wie viele Songs man des Künstlers doch eigentlich kennt.
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