Gemini Man – Das doppelte Willchen
20 Jahre lang wanderte das Skript zu Gemini Man in Hollywood von Hand zu Hand. Ursprünglich, von Tony Scott im Jahr 1997 ausgearbeitet, wurden Namen wie Harrison Ford, Nicolas Cage, Clint Eastwood, Mel Gibson, Tom Cruise und Sean Connery mit dem Film und der Protagonistenrolle in Verbindung gebracht. Letztendlich fiel die Wahl dann aber auf Will Smith, nachdem Ang Lee das Projekt vor zwei Jahren übernommen hatte. Ein Grund hierfür soll auch die technische Realisierbarkeit gewesen sein: Will Smith stellt sich hier seinem eigenen, digital verjüngten, Klon entgegen und Ang Lee versucht technische Grenzen auszuloten.
In 3D, 4K-Auflösung und 120 FPS flimmert Gemini Man über ausgesuchte Kinoleinwände und soll so eine ganz einzigartige Immersion erzeugen. Ob der Streifen über Technik-Spielereien hinaus überzeugen kann, könnt ihr in dieser Kritik lesen.
Anmerkung: Als Basis für dieses Review gilt die normale 2D-Version des Filmes.
Auf die Wirkung der 3D-Effekte und der hohen Framerate kann deshalb leider nicht eingegangen werden. Im Folgenden steht ausschließlich die filmische Erzählung und Umsetzung im Fokus.
Deadshot vs. Der Prinz von Bel-Air
72 Menschen hat der Geheimdienst-Attentäter Henry Brogan (Will Smith) eliminiert – eine Zahl, die ihm nun aufs Gewissen schlägt. Bei einer offensiv präsentierten Dose Coca-Cola und einer Flasche Budweiser beschließt er also in den wohlverdienten Ruhestand überzugehen, hat dabei aber die Rechnung ohne seinen Arbeitgeber gemacht. Henry und sein berufliches Umfeld, darunter die Agentin Danny (Mary Elizabeth Winstead), sollen neutralisiert werden, damit eine 30 Jahre jüngere Klon-Version komplikationslos an seine Stelle gesetzt werden kann. Pikant: Die jünger Kopie Junior (auch Will Smith, aber als CGI) soll den Auftrag selbst erfüllen. Ein (un-)gleiches Duell zwischen Original und Kopie beginnt…
Der 51-jährige graumelierte Will Smith muss also gegen ein halb so altes Abbild seiner selbst antreten. Und dieses ist erstaunlich gut gelungen. Wo man beispielsweise in Star Wars: Rogue One nie das Gefühl hatte, den echten General Tarkin vor sich zu haben, wirkt CGI-Smith zu fast jeder Zeit menschlich. Lediglich bei gut ausgeleuchteten Bildern fällt auf, dass die Methodik insbesondere an Stirn und Mundwinkeln noch nicht zu 100% überzeugen kann. Dafür musste ich mich aber echt konzentrieren, denn was hier aus den Rendermaschinen Hollywoods gepresst wurde, ist definitiv beeindruckend.
Man könnte von einem Duell zwischen Deadshot und dem Prinzen von Bel-Air sprechen. Die Ähnlichkeiten sind verblüffend – und gerade mit diesem Vorwissen ist das Gesehene natürlich ein bisschen befremdlich. Da kann der Film aber nichts für.
Technik, Action – Action, Technik. Drehbuch?
Wofür Gemini Man sich aber definitiv verantworten muss, ist alles, was über die gimmickhafte Grundprämisse hinausgeht. So spielt sich das Duell der beiden mitunter in Kolumbien und Budapest, also vor durchaus attraktiven Kulissen, ab. Bis auf eine gelungene Verfolgungsjagd in den engen Gässchen Cartagenas wurden beide Örtlichkeiten allerdings leider verschenkt. Ob Danny und Henry ihren morgendlichen Tee vor dem Széchenyi-Heilbad trinken, macht außerhalb einer visuell beeindruckenden Szenerie leider keinen erzählerischen Unterschied.
Situationen und Settings werden nicht aufgebaut, sondern dienen nur als hübscher Hintergrund für eine Geschichte ohne jegliche Überraschungen. Obwohl die Action-Sequenzen durchaus überzeugen, leidet wegen des fehlenden Aufbaus dieses Rahmens auch die Spannung enorm. Dass ich mich so sehr auf das CGI-Deaging-Gesicht von Will Smith konzentrieren konnte, liegt vor allem daran, dass es der Streifen zu keiner Zeit auch nur annähernd schafft, emotional zu involvieren.
Auch vor 20 Jahren wäre diese Geschichte mit seinen darüber hinaus uninspirierten und simplifizierenden Dialogen leider nur absolute Standardware gewesen. Dazu werden moralische und ethische Fragestellungen, die Klon-Technologie mit sich bringt, nie intensiviert, sondern dienen ausschließlich dazu, eine reine Aneinanderreihung von Action-Setpieces zu verhindern.
Zwar überzeugen die Schauspieler, darunter zum Beispiel auch Clive Owen, im Rahmen eines Actionfilms durchaus, können aber wegen des limitierenden Drehbuchs ihren Figuren nie Leben einhauchen. Erzählerische Setups, bei denen das Publikum bereits bei Einführung weiß, dass diese später wichtig sein werden, schaffen es trotz ihrer Offensichtlichkeit während der Auflösung noch mehr zu enttäuschen als bei ihrer plumpen Einführung – Stichwort Bienen.
Münchener müsste man sein
Im Endeffekt also ein Film, der vor allem auf technischen Neuerungen setzt und alles andere leider vernachlässigt. Wer grundlegendes Interesse an diesen Innovationen hat oder Lust auf Standard-Action-Kost hat, kann sich Gemini Man durchaus mal ansehen, dann aber ausschließlich in einem Technik-Bombast-Kino, das über den bestenfalls bedingt funktionierenden Film hinwegtäuscht.
Dass alle technischen Facetten (4K und 120 Frames in Kombination mit 3D) wohl nur im Mathäser Kino in München realisiert werden können und alle anderen Kinos auf 60 Frames zurückgreifen müssen, passt zum Gesamtbild.
Ernsthafte Enttäuschung setzt ein, wenn man realisiert, wie wenig aus einem durchaus Potential bergenden Konzept geschaffen wurde.Wenn sich dann aber als führender Drehbuchautor David Benioff, das Drehbuch-Mastermind hinter Game of Thrones, in den Credits offenbart, weicht die Enttäuschung einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung. Die Tagline zu Gemini Man lautet „Who will save you from yourself?“ – eine Frage, die sich Benioff nach den jüngsten kreativen Misserfolgen in meinen Augen vielleicht auch stellen sollte.
Von Bernd Wetzl
Volle Kanne Action gibt es natürlich auch wieder im fünften Rambo-Film. Diesmal muss Sylvester Stallone seine Ziehtochter von den bösen Mexikanern befreien.
Unsere ausführliche Kritik zu Rambo: Last Blood findet ihr HIER.
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