Brittany Runs A Marathon – und nimmt ihr Leben in die Beine
Von den Amazon Studios produziert erscheinte Brittany Runs a Marathon nun in den deutschen Kinos und schon in wenige Wochenn später auf Prime Video. Ob man für das Debütwerk von Regisseur und Autor Paul Downs Colaizzo ins Kino sollte oder ein paar Wochen warten kann, erfahrt ihr hier…
Die extrovertierte und immer zu Spaß aufgelegte New Yorkerin Brittany Forgler (Jillian Bell) ist „Everybody‘s Darling“ – außer sich selbst gegenüber. Die vielen Partynächte, die ständige Unterbeschäftigung und die toxischen Beziehungen der 27-Jährigen fordern ihren Tribut. Von einem Arztbesuch kehrt sie statt mit einem Rezept für das amphetaminhaltige Adderall mit der unerwünschten Empfehlung zurück, gesünder zu leben. Brit fehlt das Geld für ein Fitnessstudio und sie ist zu stolz, um andere um Hilfe zu bitten. Sie weiß nicht weiter, bis ihre ausgeglichene Nachbarin Catherine (Michaela Watkins) sie davon überzeugt, sich ihre Schuhe zuzuschnüren und einmal um den Block zu rennen. Am nächsten Tag sind es schon zwei und bald hat sie das erste Mal eineinhalb Kilometer zurückgelegt und setzt sich ein scheinbar unerreichbares Ziel: Sie will den New-York-City-Marathon laufen – und dabei ihr Leben langsam wieder in ruhige Bahnen lenken.
Mumblecore meets Motivationscomedy
Was zuerst in der Geschichte um die beflügelte Brittany auffällt, ist der visuelle Stil. Eine typische Comedy-Ästhetik mit stark übersättigten Farben verschmelzt insbesondere in der ersten Hälfte des Filmes mit geerdeten Mumblecore-Elementen. Scheinbar improvisiert wirkende Dialoge, unruhige Kamerabewegungen im Handheld-Stil und natürlich der Fokus auf das Innere einer jungen Hauptfigur, inszeniert durch viele nahe Einstellungen, treffen auf knallige Farbkontraste, farbenfrohe Kostüme und typisches Komödien-Pacing. Gemeinsamkeiten mit Amy Schumer-Filmen lassen sich also nicht nur in der Optik der Hauptdarstellerin verorten, sondern durchaus in der filmischen Umsetzung.
Darüber hinaus nimmt man aber, insbesondere durch die angesprochenen Mumblecore-Elemente, eine durchaus persönliche Ebene, die Regisseur Paul Downs Colaizzo erzählen will, wahr. Lose angelehnt an die persönliche Geschichte seiner Mitbewohnerin spürt man, dass es Colaizzo um mehr geht, als um eine weitere lustige Geschichte von einer unzufriedenen, humorvollen Endzwanzigerin. In diesem Zuge wird versucht, auch die Nebenfiguren nicht als Sidekicks am Tableau zu entwerfen, sondern mit ihren ganz eigenen Problemen zu konfrontieren. Da wären beispielsweise Brittanys unsichere beste Freundin Gretchen, die ständig den Vergleich mit anderen sucht, der in einer Männlichkeitskrise steckende homosexuelle Lauffreund Seth und auch die ausgeglichen wirkende Nachbarin Catherine steckt aufgrund ihrer Drogenvergangenheit mitten im Sorgerechtsstreit um ihre Kinder.
Demnach werden die Figuren also nicht nur als reine Vorlagengeber für Gags verstanden, sondern lassen ihre Probleme in den anstrengenden Weg der Protagonistin einfließen und formen diesen. Wie Spiegelbilder zeigen sie Brittany auf, dass nicht nur ihr Leben Halt braucht und so wird gemeinsam Struktur, Motivation und schlussendlich auch Orientierung in der riesigen Megametropole New York gesucht.

Moralinsaurer Marathon
Spiegelbilder ihres Wegs zieht der Film nicht nur aus dessen Figuren, sondern auch aus dem Setting New York und das leider oft zu plump. So werden einige gute Ansätze verspielt. Nach der unbequemen Diagnose etwa, als Brittany ihr eigenes verzerrtes Spiegelbild an einem Imbissstand sieht. Nach einem sportlichen Rückschlag, als Brittany einen Burgerladen besucht und Sauce mit dem Finger aus ihrer, sich bereits im Müll befindenden, Papierschale löffelt, nur um daraufhin erst sich selbst und dann ihre Laufpartnerin durch eine Glasscheibe zu sehen. Und nach der U-Bahn, dessen Tür zwei Mal kurz vor ihrer Nase verschließt und die vor ihren Augen langsam den Bahnhof verlässt. Beim dritten Mal – inmitten des Marathontrainings natürlich – wird diese natürlich endlich, endlich erreicht.
Drei konkrete Situationen, in denen jeweils sehr offensichtlich mit demselben Motiv gearbeitet wurde. Drei Situationen, in denen für mich ein sehr bedenklicher Subtext mitschwingt: Wenn du dick bist, dann hast du keinen Erfolg im Leben. Wenn du aber anfängst abzunehmen, dann, ja erst dann, wirst du glücklich, ein produktives Mitglied der Gesellschaft und dein Leben wieder in geleitete Bahnen ordnen können.
Der Gewichtsverlust von Brittany ist hier leider kein Nebenprodukt ihres Trainings, sondern irgendwann deren gesamte Selbstdefinition. Als sie aufgrund einer Verletzung einige Wochen lang nicht trainieren kann, hat Brittany in erster Linie Angst davor wieder zuzunehmen und zieht sich deshalb von ihrem neuen Umfeld zurück. Ihr Selbstbewusstsein generiert sich also nicht aus der sportlichen Aktivität, sondern einzig und allein aus dem neuen Aussehen. Dass einzelne Passagen des Filmes immer wieder vom Gang auf die Waage und dem Konstatieren des neuen Gewichts unterteilt werden, unterstreicht diesen Eindruck noch.
Eine rein körperliche Selbstoptimierung steht also am Ende von Brittanys Reise. Körperliche Selbstoptimierung, für die Gesellschaft, nicht für sich selbst.
Schade, denn gute Ansätze in dieser Komödie sind durchaus da und bergen nette Abendunterhaltung. Wenn man also sowieso mit einer derartigen Aussage gerechnet hat oder diese ausblenden kann, dann bietet Brittany Runs a Marathon durchaus kurzweiliges Entertainment mit sympathischen Darstellern und ein paar guten Gags. Und, so ehrlich muss ich auch sein, motiviert dazu zum ersten Mal seit langer Zeit wieder die Laufschuhe zu schnüren. Nur für sich selbst, versteht sich
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