Horse Girl – Genre-Galopp auf Netflix
Im kürzlich auf Netflix erschienenen Horse Girl kollaborieren Alison Brie und Jeff Baena nicht zum ersten Mal: Bereits für die Nonnen-Satire The Little Hours arbeitete das Kreativ-Duo aus Schauspielerin und Regisseur zusammen. Für das Netflix-Original darf Alison Brie nun allerdings auch hinter der Kamera ans Werk und probiert sich als Co-Autorin. Wie gut das funktioniert, um was es eigentlich geht und ob Horse Girl schlussendlich sehenswert ist, ergründen wir in unserer Kritik.
Netflix-Originale, das sind nicht nur Serien, Dokumentationen und Großprojekte wie The Irishman, Marriage Story, Der Schwarze Diamant oder 6 Underground. Nein, auch für Independent-Filme hat der Streaming-Gigant ein Herz. Oder zumindest ein Portemonnaie, dass den Projekte dabei viele Freiheiten in ihrer kreativen Gestaltung lässt. Die Laissez-Faire-Mentalität von Netflix sorgt nicht selten für willkommene Abwechslung beim Filmgenuss und ermöglicht finanziell risikoreiche Werke, die sonst vielleicht nicht produziert worden wären. Eines dieser ambitionierten Werke ist Horse Girl, das alleine schon durch seine einzigartige Prämisse neugierig macht.
Die schüchterne Sarah (Alison Brie) arbeitet in einem Fachgeschäft für Kunsthandwerk. In ihrer Freizeit besucht sie ihr altes Pferd Willow oder sieht sich die fiktive Trash-Serie “Purgatory” an, die sich mit allerlei paranormalen Phänomen und Monstern auseinandersetzt. Als sich ihr Schlafwandeln und ihre luziden Träume häufen, immer intensiver werden und sich mitunter sogar Gedächtnislücken einstellen, glaubt Sarah den Grund für diese Phänomene ausgemacht zu haben. Bestärkt durch vergangene Traumata ist sie sich sicher, von Aliens entführt und geklont worden zu sein…

Pferd ohne Reiter
Was zunächst als Mumblecore-Komödie beginnt wird im Laufe seiner Spielzeit immer mehr zum reinen Mystery-Thriller. Auch der Blick auf die Protagonistin Sarah wandelt sich von ein auktorialen, eher distanzierten Erzählweise immer mehr zu einer persönlichen hin. Die Wahnvorstellungen und einsetzende Schizophrenie sollen durch den Fokus auf die Gedankenwelt der Hauptakteurin sinnig porträtiert werden. Das offensichtliche Ziel: Auch beim Publikum ein Gefühl der Unsicherheit in der Beurteilung von Realität und Schein bewirken. Durch einige geschickte Kniffe durchaus gelungen und bei der Stange haltend – auf bemerkenswert unorthodoxe Weise.
Auch inszenatorisch weiß Horse Girl zu überzeugen. Visuell ansprechend, von einer tollen Soundkulisse begleitet, mit überzeugenden Darstellungen der Schauspieler und vielen kleinen Momenten, die im Kopf hängen bleiben. Allzu sehr mochte der Funke bei mir trotzdem nicht überspringen. Woran liegt das? Zum einen liegt das am Pacing. So gut die schauspielerische Leistung Alison Bries auch ist, so überschnell ist der Wandel der von ihr dargestellten Sarah. Offensichtlich inspiriert von David Lynch schafft es Horse Girl nie Bezug zu seinen Figuren aufzubauen trotz sehr persönlicher Erzählperspektive. Es bleibt alles oberflächlich, nie ensteht das Gefühl auf der mentalen Irrfahrt von Sarah auf emotionaler oder empathischer Ebene mit ihr mitzufühlen. Womöglich gewollt, baut sich dadurch dann eine seltsame Distanz zwischen Seher und Gesehenem auf.
Schlussendlich bietet Horse Girl viele coole Ansätze, leidet aber an einer fehlenden Kohärenz. Wie ein frei laufendes Pferd, das trotzdem innerhalb einer Koppel eingesperrt ist. Es gibt einen roten Faden, grundlegende Konventionen werden eingehalten: Man bricht nicht völlig aus. Dennoch fehlt es an Führung und Richtung, womöglich auch durch die eingangs erwähnte Laissez-Faire-Politik: Es fehlt ein Reiter, eine klare Richtung. Schlussendlich bleibt: Ein durchaus gefälliger Streifen, der irgendwo zwischen zwei Extremen schwebt und dadurch halbgar wirkt. Ein Versuch, der nicht fehlschlägt, aber auch nicht zündet. Ein Film entgegen seiner Prämisse – es bleibt Durchschnitt.
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