Green Book – der Cadillac der Klischees?
Mahershala Ali und Viggo Mortensen finden als italoamerikanischer Türsteher, der einen afroamerikanischen Starpianisten in den 1960er durch den Süden Amerikas chauffiert, zusammen.
Nach Peter Farrellys letztem Langfilm Dumm und Dümmehr (2014), TV Spielfilm Cuckoo (2015) und 13 Folgen Loudermilk (2017/18), bricht der für doch recht “simple” Komödien bekannte Regisseur in neue Gefilde auf und nimmt Elemente des Dramas mit in sein Repertoire auf.
Verwundern sollte es deswegen nicht, dass das Grundkonstrukt nicht allzu viele Überraschungen birgt. Zwei Männer, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, treffen aufeinander und müssen nicht nur die Probleme auf ihrer Reise, sondern auch die auf zwischenmenschlicher Ebene lösen. Sind sie sich zuerst fremd, entsteht Verständnis und letztlich Freundschaft zwischen den beiden Männern.
Nachdem die letzten Jahre durch starke, aber auch anstrengende Filme, die den Rassismus in Amerika porträtierten, geprägt wurde, kommt Green Book wesentlich leichter und weniger wie ein Schlag in die Magengrube daher. Zugegeben, Steve McQueens 12 Years a Slave oder Katheryn Bigelows Detroit sind wirklich empfehlenswert, doch würde man sie nicht direkt nochmal einwerfen, dafür ist die Stimmung nach beiden doch zu niedergeschlagen. Ganz anders jedoch nach Green Book und vielleicht ist es unter Anderem das, was ihm zur Oscarnominierung verhalf. Spaßig, ernsthaft und doch eckt er nicht sonderlich an, sondern bringt sein Motiv mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit an den Zuschauer. Zu verdanken ist dies vornehmlich den beiden fantastischen Hauptdarstellern.
Da hätten wir Tony “Lip” Vallelonga (Viggo Mortensen), ein Italoamerikaner, der im Copacabana als Türsteher arbeitet und sich regelmäßig um unangenehme Gäste kümmert. Dabei dürfen auch gerne seine Fäuste zum Einsatz kommen und die Kundschaft etwas fester angepackt werden. Mortensen geht vollkommen in der Rolle des Tony auf und könnte auch in einem von Scorseses Hinterzimmern aufzufinden oder ein direktes Mitglied der Soprano-Familie sein. Ein von Mammas Pasta geformter Bauch, ein grandioser italoamerikanischer Akzent und die bekannte Leichtigkeit mit der Mortensen seine Rollen zum Leben erweckt – und schon hängen wir an Tonys Lippen.
Don Shirley: I am not a medical doctor. I’m a musician. I’m about to embark on a concert tour in the Deep South. What other experience do you have?
Tony Lip: Public relations.
Neben Tony wäre noch Dr. Don Shirley (Mahershala Ali). Ein leicht versnobter Jazz-Pianist, der in einem üppigem Appartement über der berühmten Carnegie Hall residiert und nicht nur einen Butler hat, sondern auch einen befremdlichen Thron, von dem aus er Tony mit fast schon überzogener Erhabenheit zu seinen letzten Berufen befragt.
Dr. Don Shirley hätte sehr schnell als eine schamlosen Karikatur enden können, doch Mahershala Ali schafft es, das Jazz-Genie mit solch feinen Nuancen und Charakterzügen zu versehen, dass stets auf eine fantastische Szene die Nächste folgt und das Zusammenspiel von Ali und Mortensen zum eigentlichen Star wird.
Den meisten Spaß mit Green Book hat man nämlich mit Tony und Don, wenn sich beide auf dem Weg durch den Süden necken, vermeidlich nichtssagenden Smalltalk führen und sich dabei doch immer näher kommen und voneinander lernen, auch wenn es manchmal zum Leid des Anderen ist. So kommt es, dass die Geschichte eigentlich in den Hintergrund rückt und Green Book allein durch die Chemie zweier Schauspieler zu etwas wesentlich Größerem wird als zunächst erwartet.
Ja, Green Book erfindet das Rad nicht neu und hinterlässt auch keinen bleibenden Kommentar auf den Rassismus in Amerika, aber muss er das? Peter Farrelly liefert einen Feel-Good Film ab und bringt zwei fantastische Schauspieler zusammen, die etwas Besonderes auf die Leinwand bringen und so vielleicht auch ihren Teilen zur steten Debatte um Rassismus beitragen. Es muss ja nicht immer mit der Brechstange sein, es kann auch mal der in Watte eingewickelte Samthandschuh sein.
Regie: Peter Farrelly.
Genre: Komödie
Crew: Screenplay: Nick Vallelonga, Brian Currie, Peter Farrelly. Camera (color, widescreen): Sean Porter. Editor: Patrick J. Don Vito. Music: Kris Bowers.
Cast: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Sebastian Maniscalco, Dimiter D. Marinov, P.J. Byrne.
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