Criterion Corner #10: Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Paul Schrader inszeniert das Leben des Yukio Mishima in vier Kapiteln, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Eingebettet in die Realität wandeln wir durch die Vergangenheit und lernen Mishima unter anderem durch seine stark autobiografischen Romane kennen. Kommen wir zu Criterion Corner #10: Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln

Yukio Mishima (Ken Ogata) ist einer der berühmtesten Autoren Japans. Als Kind sehr kränkelnd, wurde er später zum gefeierten Star der japanischen Literatur. Doch neben seiner künstlerischen Seie verfällt Mishima immer weiter einem narzisstischen Körper- und Muskelkult, der ihn auch nach dem Tod sehnen lässt. Angewidert vom kommerziellen Lebensstil, wendet er sich immer weiter von der Realität ab und wandelt sich vom Jahrhundertautor hin zum Extremisten. Mishima predigt die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und möchte den alten Kaiser wieder als Oberhaupt einsetzen lassen und gründet letztlich seine eigene Privatarmee. Am 25. November setzt Yukio Mishima den finalen Satz unter sein letztes Manuskript, streift sich die Uniform seiner Miliz über und macht sich mit drei seiner Anhänger auf den Weg nach Tokio, zum Hauptsitz der japanischen Armee.

Ausschnitte aus Mishima Roman " Unter dem Sturmgott" "Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln" - © Rapid Eye Movies

Das wundersame Leben des Yukio Mishima

Allein durch einen kurzen Blick in die Vita von Yukia Mishima wird klar, dass man mehr über das Leben dieses Mannes und seine Beweggründe erfahren möchte. Ein Mann, der sich der Schönheit hingab, jedoch auch die andere Seite der Medaille, die der Brutalität, zu lieben wusste. Um die Schönheit hinter Paul Schraders Meisterwerk würdigen zu können, muss ich zuerst auf seine recht außergewöhnliche Erzählstruktur eingehen.

 

Der 25. November 1970 ist Yukio Mishimas Todestag. An diesem Morgen wacht er auf, setzt den finalen Satz unter sein letztes Manuskript und legt die Uniform seine Privatarmee an. Er holt einen Aktenkoffer hervor, legt darin einige Dokumente und zwei Schwerter ab. Danach macht er sich auf den Weg zu einem Wagen, in dem bereits vier seiner treuen Anhänger warten, um mit ihm nach Tokio zu fahren und einen Militärputsch durchzuführen. Ein Blick in die Gegenwart von Yukio Mishimas letzten Tag, gefilmt mit natürlich gedämpften Farben, die an einen tristen Wes Anderson erinnern könnten.

 

Plötzlich ein Sprung in den klassischen Schwarz-Weiß-Film.

Yukio Mishima, vernarrt in die Kunst "Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln" - © Rapid Eye Movies

Ein Meisterwerk des Erzählens

Ein kleiner, kränklich aussehender Junge ist bei seiner Großmutter und pflegt sie. Es ist der junge Yukio Mishima und wir befinden uns somit in der Vergangenheit. Ein erster Wechsel der Erzählebene und eine weitere Sichtweise auf das Leben des Autorenstars Mishima. Neben den klassischen Rückblenden, bindet Paul Schrader verkürzte und dramatisierte Auszüge aus drei Romanen Mishimas ein. Besonders auch hier wieder die Inszenierung.  

 

Statt einem klassischen realitätsgetreuem Design, wird auf ein theaterähnliches Szenenbild gesetzt. Der Einsatz von Scheinwerfern und verschiebbaren Szenenelementen wird nicht kaschiert und erzeugt so einen leicht von der Realität gelösten Eindruck. Eine eher bunte Farbgebung tut ihr Übriges und verleiht den kurzen Auszügen einen surrealen Charakter, der sie so auch deutlich vom Rest der Erzählebenen abgrenzt.  Dennoch fügen sie sich wunderbar homogen in den Erzählfluss von Mishima – Ein Leben in vier Kapitel ein, denn sie liefern vor allem Einblicke in die Gedankenwelt des Autoren Yukio Mishima und seine „versteckten“ Themenschwerpunkte: 1. Obsession von Schönheit, 2. Sexuelle Ambivalenz sowie der Hang zum Narzissmus und 3. Revolutionäre Gedanken. Jeder der drei Themenbereiche wird durch einen Romanauszug dargestellt und ausgespielt.

Yukio Mishimas Werk "Der Tempelbrand" wird in Paul Shraders Filmdramatisiert inszeniert "Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln" - © Rapid Eye Movies

Romane, die das Leben widerspiegeln

In „Der Tempelbrand“ ist ein stotternder Junge besessen und zugleich eingeschüchtert von der Schönheit eines goldenen Pavillons. „Kyoko no ie“, der nie in Deutschland erschienen ist, umschreibt eine sadomasochistische Beziehung zwischen einer Schutzgelderpresserin und einem jungen Schauspieler und dessen Mutter. „Unter dem Sturmgott“ begleitet einen jungen Nationalisten, ähnlich Yukio Mishima, der nach Ermordung eines bekannten Vertreters der Oberschicht Seppuku begeht. Man kann alleine durch eine kurze Inhaltsangabe bereits deutliche autobiografische Züge in Mishimas Werken erkennen. Yukio Mishima fröhnte wie besessen einem Körper- und Muskelkult. Der Gedanke, auf ewig zu bleiben und den perfekten Körper zu schaffen verhärtete sich in Mishima immer weiter. Er trainierte Arme, Beine und Brust um aus seinem Körper ein Meisterwerk zu formen, sozusagen ein Kunstwerk, welches er dann nur im Tod verewigen könnte. Auf groteske Art passend befasste er sich ausgiebig mit dem traditionellen Sport Kendo bei dem er „mit jedem Schwertschwung einen Todeshauch verspürt“, eine Euphorie die er mit Worten nicht beschrieben konnte.

Paul Schrader hat mit Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln das Unmögliche möglich gemacht und das faszinierende Leben des Yukio Mishima auf Film gebannt.  Dabei vermischt er gekonnt Gegenwart, Vergangenheit und Fiktion miteinander, ohne sich auch nur den kleinsten Strauchler zu erlauben. Ein atemberaubendes und vor allem besonderes Biopic entsteht. Schauspielerisch wird ebenso stark abgeliefert. Der gesamte Cast ist durch die Reihe weg grandios: Von der gehässigen Großmutter, über den gebeutelten Stotterer bis hin zu Yukio Mishima selbst sind alle auf einem ähnlich hohen Niveau. Doch nicht genug des Lobes. Besonders hervorzuheben sind die Leistungen hinter Setdesign und Filmscore. Philip Glass, der zum ersten Mal den Score für einen Langfilm schrieb, hat wohl einen der besten, einprägsamsten und rundesten Scores der Filmgeschichte geschrieben, der nicht ohne Grund bei mir rauf und runter läuft. Neben Philip Glass hat Eiko Ishioka auch ihr Debüt als Setdesignerin gefeiert und verbleibt vor allem mit den theaterähnlichen Bühnenbildern der Romaninszenierungen in Erinnerung.

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