Macht und Kontrolle – Triebe des Dick Cheney in Vice
Oscarpreisträger Christian Bale verwandelt sich in “Vice – Der zweite Mann” in Dick Cheney, mitunter einer der mächtigsten US-Vizepräsidenten aller Zeiten und Mitbegründer des Guantanamo Bay-Fanclubs. Unter der Präsidentschaft von George W. Bush weitete er seine Macht weiter aus, und beeinflusste die Zeitgeschehnisse maßgeblich. Sein Einfluss auf Politik und Wirtschaft ist heute noch spürbar.
Der Name Adam McKay ist, zumindest für mich, erst bewusst seit The Big Short im Kopf. Vom Drehbuchautor für Saturday Night Live kam zuerst seichtes Rumgeblödel mit Will Ferrel, und schließlich Satire mit Anspruch. Dabei wurden stark komödiantische Szenen auf bittere Art und Weise mit harten Fakten verschnitten. McKay hat den Sprung geschafft und sich grandios weiterentwickelt, doch hat er das Zeug dazu sich mit Vice wieder neu zu erfinden?
Vice – der zweite Mann erzählt dabei die Geschichte von Dick Cheney, dem Mann, der zu den mächtigsten Vizepräsidenten Amerikas zählt. Angefangen als antriebsloser Student besäuft sich Cheney in Yale und prügelt sich durch das recht kurze Studentendasein, denn bereits nach kurzer Zeit wird er wieder rausgeworfen und so kehrt er in seine Heimat Wyoming zurück. Das Saufen behält er bei und nebenher arbeitet Cheney als Streckenarbeiter. Die Rettung kommt in Form von Frau Lynne (Amy Adams), diese stellt ihm ein Ultimatum: Entweder du veränderst etwas in deinem Leben oder ich bin weg. Einige Jahrzehnte später und Dick Cheney ist Vizepräsident von George W. Bush und zieht unter Anderem die Strippen hinter dem Irak-Krieg.
Christian Bale überzeugt mal wieder als Chamäleon, welches komplett mit seiner Rolle verschwimmt. Egal ob als ausgedürrter Insomniac in The Mechanist oder als von Drogen und Verbrechen getroffener Ex-Boxer in The Fighter. Für seine Rolle in Vice – Der zweite Mann hat er dieses Mal etwa 20 Kilogramm draufgepackt und ist kaum wiederzukennen. Das, wie er selbst sagt, durch Kuchen: “You eat a lot of pies. You eat whatever’s handy. That’s what you do.” Ganz zu schweigen vom täglichen Blondieren der Augenbrauen, den Kahlrasuren und ständigem Augenbrauenzupfen. So verschwindet Christian Bale mal wieder in einer seiner Rollen.
Hatten wir vor ein paar Tagen Jake Gyllenhaal in Velvet Buzzsaw, der vergebens versucht in einer seiner Rollen aufzugehen, liefert Bale eine verblüffende Leistung ab. Ein anderes Kaliber an Schauspieler, er lebt und wiederbelebt den Charakter des Dick Cheney und das teilweise so erschreckend gut, dass Journalisten, die mit dem wahren Cheney auf Pressetouren waren, den Unterschied im Trailer nicht feststellen konnten. Mimik, Gestik und Aussprache sind dafür zu nahe am Original und das merkt man selbst als jemand, der nicht unbedingt mit der Person des Dick Cheney etwas anfangen kann, denn Bale wird einzig und allein durch die Credits als Schauspieler entlarvt.
Doch Adam McKey hat nicht nur Bale in seinen Stab aufgenommen. Neben ihm brillieren unter Anderem Amy Adams, Steve Carrell und allen voran Sam Rockwell, der letztes Jahr noch den Oscar als Bester Nebendarsteller erhielt. Rockwell trifft den, man möchte schon sagen, leicht dümmlich wirkenden Georgie, der sich von allen durch die Gegend schubsen, einfach alles mit sich machen lässt und doch eigentlich nur seinen Vater stolz machen möchte, einfach perfekt.
George W. Bush: “So we gonna do this thing, or what? I mean, is this happening?”
Dick Cheney: “I believe… we can make this work.”
George W. Bush: “Hehehe! [claps] Hot damn!”
Doch ist es nicht nur das Schauspielerische, das in McKeys Werk, ähnlich wie in The Big Short, zur Schau gestellt wird. Vielmehr wird der Charakter des Dick Cheney zur Witz-/Schreckensfigur. Was hat dieser Mensch alles Schlechtes getan, wofür ist er alles verantwortlich und was hat er doch das Leben von so vielen Menschen verändert. Irak, Afghanistan und ISIS – für all das ist Cheney laut McKey alleine verantwortlich, was in manchen Aspekten auch so sein mag, doch bleiben so einige andere Figuren im Spiel um Macht außen vor und das ohne beiläufige Erklärung.
Wer außerdem einen Grund dafür sucht wieso Cheney so ist wie er ist, wird von McKeys Pseudo-Biopic enttäuscht. Der SNL Autor bietet leider nicht mehr als eine blanke Zurschaustellung der schrecklichen Missetaten in Zwischenschnitt mit quasi-satirischen Traumsequenzen und Realszenen. Die große Frage, was diesen Menschen zum Ticken bringt, bleibt auf der Strecke und sollte die nicht in einem Biopic von 2 Stunden und 12 Minuten geklärt werden, selbst wenn nur in Ansätzen?
Schade, denn wird doch zu Beginn schon die typische Spielberg’sche Klammer aufgemacht: Dick Cheney, der Säufer und Bodensatz der Gesellschaft – doch wie und vor allem warum er es doch bis an die Spitze des Weißen Hauses schafft, bleibt offen.
Regie: Adam McKey
Genre: Drama
Cast: Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell, Sam Rockwell, Alison Pill, Jesse Plemons, Lily Rabe, Tyler Perry, LisaGay Hamilton, Adam Bartley, Justin Kirk, Bill Camp, Joseph Beck, Aidan Gail
Crew: Screenplay: Adam McKay. Camera (color, widescreen): Greig Fraser. Editor: Hank Corwin. Music: Nicholas Britell
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