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In unserer Rubrik “Eine Ode an…” huldigen wir den Lieblingsfilmen, -serien, -regisseuren oder sonstigem Hingucker unserer Redakteure. Heute sagt Euch Flo, warum Lost einfach die beste Serie aller Zeiten ist und sogar Game Of Thrones einpacken kann.

Ich werde oft von Freunden nach Serienempfehlungen gefragt. Der neueste Shit auf Netflix, die besten Geheimtipps von Amazon Prime – viele Leute sind auf der Suche nach grandiosen Seherlebnissen, die Ihnen im besten Fall viele Abende versüßen. Doch bevor ich in die Geheimtipp-Kiste greife, frage ich erstmal die Klassiker ab. Und eine meiner ersten Fragen ist dann: Hast du schon Lost gesehen?

Oft werde ich daraufhin mit großen Augen angeschaut. Lost? Ist das nicht diese Serie, wo die auf einer Insel mit nem Flugzeug abstürzen? Nee, ich mag keine Katastrophen-Serien. Nun folgt meistens meine sehr ausführliche Erklärung, warum Lost keine Katastrophenserie ist und warum Sie – ACHTUNG – bis heute die beste Serie aller Zeiten ist. Nach meinen Schwärmereien habe ich mein Gegenüber dann tatsächlich auch manchmal überzeugt – bis heute habe ich noch keine negativen Rückmeldungen bekommen. Niemand hat es bereut, Lost jemals angefangen zu haben.

Der Hund Vincnet ist einer der Überlebenden auf der geheimnsivollen Insel © ABC

Auch ich habe diese Serie irgendwann einmal angefangen. Auch ich dachte zu Beginn: Lost ist so ein bisschen die Band Beatles unter den TV-Serien. Jeder schon mal von gehört, eigentlich ganz geil, aber so richtig auseinander gesetzt haben sich nur die wenigsten mit ihr. Bevor ich auf diesen Punkt weiter eingehe, folgt erstmal ein kleiner Abriss zu der sechs Staffeln umfassenden Serie. Worum geht es überhaupt?

Jap, ein Flugzeug stürzt auf einer unbekannten Insel ab. Und jap, die Überlebenden müssen in der Folge auf dieser Insel zurechtkommen. Denn – und das ist kein wirklicher Spoiler – die Rettungstruppen suchen an der falschen Stelle nach den Vermissten, die Flugroute musste nämlich geändert werden und der Kontakt zum Boden war schon vorher abgerissen. Schöne Scheiße!

Und jetzt hängen Sie da also auf dieser Insel rum. Wir lernen in den ersten Folgen die Protagonisten kennen. Und schon hier zeigt sich eine der absoluten Stärken der Serie. Für die Vorstellung der Charaktere wird sich enorm viel Zeit gelassen. Das hängt auch mit dem Folgenkonzept zusammen: (Fast) jede Folge behandelt nämlich einen bestimmten Passagier – und erzählt seine Gschichte auf der Insel, und auch noch in Flashbacks vor der Zeit des Absturzes. Dadurch erhalten alle Charaktere ein einzigartiges Profil und von Staffel zu Staffel wachsen einen die Jacks, Hurleys, Sayids, Kates und Charlies immer mehr ans Herz.

Diese Charakterbeleuchtung habe ich so in Serien davor und danach nicht mehr gesehen. Klar, Game Of Thrones geht in eine ähnliche Richtung, genauso auch The Wire oder Sopranos – doch Lost ist hier einfach die absolute Speerspitze der Charakterinszenierungen. Und auch in Sachen Konsequenz ist Lost durchaus auf einem guten Level anzusehen. Charaktere müssen auch mal sterben, dafür kommen wieder andere dazu. Das ist einfach stark! Und ohne zuviel verraten zu wollen: Natürlich gibt es in der Serie auch Antagonisten. Ich finde, wenn Antagonisten es schaffen, ebenfalls in einer gewissen Art und Weise Sympathie zu entwickeln, passiert was ganz Fantastisches. Ich wusste am Ende gar nicht mehr so richtig „für wen“ ich jetzt eigentlich sein soll. Und dieses Gefühl war fantastisch!

Die Nummern spielen in Lost eine bedeutende Rolle © ABC

Ein Hauptbestandteil der Serie ist natürlich das Mystische. Was hat es mit der geheimnisvollen Insel auf sich? Warum zum Teufel gibt es Eisbären auf der Insel? Und was ist die Bedeutung der Zahlen „4 8 15 16 23 42“? Jede Folge werden neue Fragen in den Raum gestellt, der Zuschauer bleibt im Ungewissen. Und hier kommt ein Aspekt ins Spiel, der wahrscheinlich ausschlaggebend dafür ist, warum Lost meine Lieblingsserie ist: https://lostpedia.fandom.com/de/wiki/Hauptseite

Dieses Fan-Wikipedia klärt in aller Ausführlichkeit sämtliche Fragen die man zu Lost hat. Ich habe mir nach jeder Folge den ausführlichen Artikel zu der jeweiligen Episode durchgelesen. Dabei sind mir immer wieder neue Sachen ins Auge gefallen. Ich rate allerdings: Klickt nicht zuviel an, schnell ist man im Spoilerbereich und das sollte bei Lost wirklich wirklich vermieden werden.

Die große Kritik bei Lost ist ja das Ende. Komiker Olli Schulz hat sogar ein Lied darüber geschrieben. Ich zitiere: „Du hattest Recht mit dem Ende von Lost. Es geht nicht immer um den besonderen Schluss“. Dieser Meinung sind aber wohl nur die wenigsten. Und ja, ich kann es auf der einen Seite verstehen. Für Leute die sich erhoffen, alle Fragen beantwortet zu bekommen und somit einen runden Abschluss zu bekommen: Ich muss Euch leider enttäuschen. Ihr werdet mit Sicherheit immer noch viele Fragezeichen im Gesicht stehen haben. Das ging mir genauso.

Doch nach einigen Minuten Nachdenken habe ich mir gedacht: So what! Lost ist eine Serie mit soviel Symbolik und Interpretationsspielraum (lest Euch mal verschiedene Lost-Theorien im Reddit durch – ihr dreht durch!) – da brauche ich keine Antwort von den Machern. Ich bin großer David Lynch-Fan und bin es deshalb gewohnt, am Ende mit noch mehr Fragen da zu stehen, wie zu Beginn. Vielleicht bin ich auch deswegen mit dem Ende von Lost mehr als zufrieden. Getreu dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ sehe ich die un-fucking-fassbaren schönen Momente die ich in den 6 Staffeln (Laufzeit: Dreieinhalb Tage!!!) hatte.

Lost ist keine Serie zum einfach weggucken. Lost ist eine bewusste Reise, auf die man sich begibt. Mein Tipp: Versucht Euch, Lost anzuschauen, ohne eine andere Serie nebenbei laufen zu haben. Gebt Euch dem Universum hin, lest im Internet Theorien und beschäftigt Euch mit dem Gesamt-Mysterium. Ihr werden es mir danken – ich bin mir zu Einhundert Prozent sicher. Und wenn ihr danach noch einen Serientipp braucht, fragt mich gerne nochmal…


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