Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft: Anspruch aus Japan
Beim Thema Anime-Filme ging lange eigentlich kein Weg am japanischen Zeichentrickfilmstudio Studio Ghibli vorbei. Ob Mein Nachbar Totoro, Prinzessin Mononoke oder Chihiros Reise ins Zauberland – das bekannte Studio aus Koganei hatte zumeist seine Finger im Spiel. Umso überraschender der Erfolg des 2016er-Animes Your Name, der von CoMix Wave Films kam. Und auch der aktuelle Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft kommt von einem anderen Studio.
Das Studio Chizu ist noch relativ jung und wurde 2011 gegründet. Mit Ame & Yuki – Die Wolfskinder (2012) und Der Junge und das Biest (2015) gelangen dem Studio in Japan schon zwei durchschlagende Erfolge. Auch die Kritiker hatten fast nur warme Worte übrig.
Nun folgt mit Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft also der dritte Langspielfilm aus dem Studio. Regie übernahm Mamoru Hosoda, der zwar ein wenig im Schatten von Großmeister Hayao Miyazaki steh, dennoch mit eben den beiden genannten Filmen aus dem Chizu Studio schon erwähnenswerte Erfolge erzielen konnte.
Nominiert für Oscars und Globes
Und auch Mirai reiht sich problemlos in die Efolgsspur Hosodas ein. Bei den Oscars und den Golden Globes war der Film nicht umsonst neben den westlichen Streifen als Bester Animationsfilm nominiert. Nun schafft er auch endlich den Weg – wenn auch begrenzt – in die deutschen Kinos. Klar ist auch: Mirai bedient natürlich nur eine gewisse Zielgruppe, nämlich die Leute, die eben Anime-Filme mögen. Wobei man sagen muss: Ich bin kein großer Anime-Fan, Mirai hat mir dennoch außerordentlich gefallen.
Worum geht es? Das Leben des vierjährigen Kun könnte nicht besser sein, wohlbehütet wächst er in einem wohlhabenden Akademikerelternhaus auf. Doch als seine kleine Schwester Mirai geboren wird, verändert sich für den Jungen alles. Die Aufmerksamkeit seiner sonst so fürsorglichen Eltern liegt plötzlich – für ihn ungewohnt – ganz auf dem Baby. Kun ist eifersüchtig und lässt Taten sprechen, indem er Mirai mit seinem Spielzeugzug auf den Kopf schlägt. Da bekommt Kun Besuch aus der Zukunft und aus der Vergangenheit, was ihn die Situation aus einem anderen Blickwinkel betrachten lässt. So bekommt er die Möglichkeit, Gespräche mit seiner Baby-Schwester im Teenageralter zu führen oder sich von seinem Ur-Großvater Geschichten von früher erzählen zu lassen.
Ein bisschen Dickens
Wie so oft im Anime-Gefilde, überzeugen vor allem die magischen und fantasievollen Momente. Kuns Reise durch die verschiedenen Geschichten ähnelt in seiner Erzählweise an Dickens‘ Weihnachtsgeschichte – so holen immer verschiedene Charaktere Kun in ihre Welten hinein und reisen mit ihm durch die Zeit. Gewohnt philosophisch ist die Geschichte trotz ihrer jungen Protagonisten nicht unbedingt was für junge Anime-Fans.
Im Gegenteil: Die Geschichte über Eifersucht, über die schwierige Beziehung zwischen Geschwistern und zu den Eltern, dürfte gerade eine ältere Generation ansprechen und an die eigene Kindheit erinnern. Irgendwo zwischen blumiger Fantasie und egoistischem Trotz haben wir uns sicher alle mal bewegt. Mirai versucht diese Gefühle aufzuzeigen – ohne dabei jedoch groß auf die Moraltube zu drücken.
Surreale Wendung
Gerade das letzte Drittel des Films geht in eine sehr philosophische, tiefgründige, fast schon spirituelle und surreale Richtung – auch optisch nimmt der Film hier plötzlich noch eine Wendung, die man nach den ersten beiden Dritteln so nicht hat kommen sehen. Stark! Das Gejammer von Kun kann mitunter ein wenig nerven – nicht nur die teilweise sehr überforderten Eltern, auch den Zuschauer. Ansonsten fehlt dem Film im Gegensatz zu den angesprochenen anderen Werken oft das Greifbare. Die Richtung des Films wird nicht ganz klar, auch beim Vierjährigen Kun lässt sich trotz all der einschneidenden Erlebnisse nur schwer eine Entwicklung feststellen.
Doch das scheint so gewollt – Hosoda ist viel mehr eine Fabel gelungen, die zum Nachdenken anregen, aber keine pauschale Lösung bieten will. Der hohe Anspruch muss an sich selbst gestellt werden, dann macht man mit Mirai durchaus eine absolut sehenswerte Erfahrung.
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