Criterion Corner #1: Diabolique
Der beste Film den Hitchcock nie gemacht hat – so könnte man Henri-Georges Clouzot Thriller wohl am treffendsten beschreiben. In der heutigen Criterion Corner stelle ich euch den teuflischen Diabolique aus dem Jahre 1955 vor.
Ein entlegenes Internat in Frankreich. Michael Delasalle (Paul Meurisse), der Direktor, ist ein knauseriger Sadist, der seinen Schülern nicht nur verrotteten Fisch serviert, sondern auch seine Ehefrau Christina (Vera Clouzot) prügelt. Dass sie die ursprüngliche Eigentümerin des Internats ist, kümmert ihn dabei nur wenig. Der Direktor, ein von allen verhasster Mann – die Schüler hassen ihn, die Lehrer verachten ihn und seine ehemalige Mätresse Nicole (Simone Signoret) würde ihn am liebsten sofort aus dem Weg schaffen. So schmieden Christina und Nicole einen Plan um ihn loszuwerden. Über die anstehenden Feiertage soll er in Nicoles alte Heimat gelockt werden, um ihn dort in einer Badewanne zu ertränken und die Leiche im Pool der Schule zu versenken. Es soll wie ein Unfall aussehen, doch als die Leiche selbst nach Abpumpen des Pools nicht auftaucht, reiht sich ein merkwürdiges Ereignis an das Nächste und die Frauen beginnen langsam den Verstand zu verlieren…
Eines der häufigsten Motive für Mord, in Filmen als auch im wahren Leben, ist der Wunsch danach eine große Last von sich zu nehmen und dadurch, vermeintlich, glücklich zu werden. Das Unheil sozusagen ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen und die ersten Schritte ins Glück zu wagen. Einzig der Akt des Mordens steht so zwischen Unheil und Glück und oftmals liegt gerade hier die Problematik. Dabei ist es egal, ob die Leiche in einer Truhe vor den Augen der Partygesellschaft, wie in Hitchcocks Rope, oder im Kofferraum eines im Sumpf versenkten Autos á la Psycho liegt. Mord an sich stellt bereits eine Herausforderung dar. Nicht nur den Willen dazu entwickeln einem anderem Menschen das Leben zu nehmen. Nein, vor allem steckt gerade im filmischen Mord eine minuziöse Planung und auch Ausführung hinter allem. Doch was passiert, wenn der perfekte Mord auf scheinbar unvorhergesehene Probleme trifft? Angst, Verwirrung und Fehler kommen zum Vorschein und das Kartenhaus fällt langsam in sich zusammen. Aber gerade dieser Fall hält den Zuschauer in seinem Bann. Das Duett von Detektiv und Mörder, welches sich ungewollt gegenseitig die Bälle zuspielt, bis einer der beiden nicht mehr antworten kann und im großen Finale von der Bühne geführt wird.
Ein morbides und düsteres Stück breitet sich mit Diabolique vor uns aus. Dabei hat Regisseur Henri-Georges Clouzot jede Szene ähnlich einem perfekten Mord durchgeplant. Alles greift in einander, ohne, dass es zu falschen Tönen, zu langen Pausen oder Brüchen im Stück kommt. Ein raffiniert komponierter Thriller wird aufgeführt, den Hitchcock sehr zu schätzen wusste und er selbst nur mit dem Genreprimus Psycho übertrumpfen konnte. Doch was genau macht Diabolique aus? Es ist der fiese Direktor, der seine Frau mit jeder Faser spüren lässt, wie er zu ihr steht. Es sind die verabscheuenden Blicke, die sie im zuwirft, das herzzerreißende Bild, dass sie dabei abgibt und das Verständnis für den Mord, welches in uns aufkeimt. Denn so teuflisch die beiden Damen auch sind. Wir verzweifeln, wir leiden und sind angeschlagen. Der Mord geht selbst an uns nicht leicht vorbei und als sich ein Privat-Detektiv selbst auf den Fall ansetzt, steigt die Angst immer mehr doch noch erwischt zu werden. All die Strapazen wären umsonst. Die Gewissensbisse, die heimtückische Tat doch durchzuführen, den eigenen Mann umzubringen, die Leiche zurückzuschaffen und alles wie einen Unfall
aussehen zu lassen. Dem Verhör des Detektivs standzuhalten, sich nicht in Widersprüche zu verwickeln und dabei nicht den Verstand zu verlieren. Aus einem Hindernis zum Glück wurden schier Tausende und nicht nur Christina stellt sich letztlich die Frage, ob es sich gelohnt hat.
“Seien Sie nicht TEUFLISCH! Verderben Sie Ihren Freunden nicht den Spaß an diesem Film. Erzählen Sie ihnen nicht, was Sie gesehen haben. Sie werden es Ihnen danken”
In wunderschönem schwarz und weiß kommt Diabolique daher. Wer sich einen der bekannten Criterion Klassiker zu Gemüte führen möchte, hat jetzt die Möglichkeit dazu. Der seiner Zeit spannendste Thriller ist zur Zeit auf Netflix verfügbar. In klassischem französischen O-Ton mit deutschen Untertiteln oder in der deutschen Synchronfassung. Mehr als sehenswert, so viel sei gesagt, denn wir wollen hier Henri-Georges Clouzot Nachruf am Ende des Films treu bleiben und nicht teuflisch sein.
Regisseur: Henri-Georges Clouzot
Genre: Drama, Mystery, Thriller
Cast: Simone Signoret, Vera Clouzot, Paul Meurisse, Charles Vanel, Pierre Larquey, Michel Serrault
Crew: Screenplay Henri-Georges Clouzot, Jerome Geronimi, Rene Masson, Frederic Grendel. Camera: Armand Thirard. Editor Madeleine Gug. Music: Georges Van Parys. Art Director: Leon Barsacq.
Du willst mehr aus der Criterion Corner sehen? Ab jetzt kommt jede Woche ein neuer Beitrag, der dir einen Film aus der Criterion Collection vorstellt! Stöber doch etwas in der Criterion Corner dort finest du garantiert auch einen Klassiker für dich.
Folgt uns:
Neueste Beiträge
- Das Magazin #04 – The Killer, Prinzessin Mononoke, Fight Club und Filme aus unserer Jugend
- Serienkonfekt #17 – Bodies, The Continental, Gen V, Billions
- Das Magazin #03 – Killers Of The Flower Moon, Film-Laufzeiten, Halloween Park
- Serienkonfekt Special – The Fall Of The House Of Usher – Mike Flanagan und seine Serien
- Das Magazin #02 – Der Exorzist – Bekenntnis, Horrorserien, The Shining
Archiv
Archive
Kategorien
Archiv
- November 2023
- Oktober 2023
- September 2023
- August 2023
- Juli 2023
- Juni 2023
- Mai 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Januar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- Oktober 2022
- Juli 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- April 2022
- März 2022
- Februar 2022
- Januar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- August 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- März 2021
- Februar 2021
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- Oktober 2020
- September 2020
- August 2020
- Juli 2020
- Juni 2020
- Mai 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- Dezember 2019
- November 2019
- Oktober 2019
- September 2019
- August 2019
- Juli 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Januar 2019
- Dezember 2018
- November 2018
- September 2018
- August 2018
- Juli 2018
- Mai 2018
- April 2018