Criterion Corner #2: Lady Snowblood
Der Racheengel – eine Gestalt, die zugleich übermenschlich anmutig zu sein scheint, jedoch ein grauenhaftes Gelüst in sich trägt. Die Lust nach Rache. Ein Gefühl, das einen Menschen bis aufs Innerste zerfressen kann und so denjenigen selbst ins Verderben treibt. Kommen wir nun zu Lady Snowblood.
Der Pfad der Rache ist nicht minder oft mit Leichen gepflastert. Ebenso wenig ist er es im Falle von Lady Snowblood. Ein einsamer Straßenzug. Der Schnee fällt unentwegt vom dunklen Nachthimmel und landet auf dem lilafarbenen Schirm einer Frau, die einsam durch das Schneegestöber läuft. Ein Close-Up auf ihr Gesicht enthüllt einen ruhigen, erbarmungslosen und bestimmenden Blick, der uns gleichzeitig vor dem Bevorstehenden warnt. Wenig später betritt ein Gangsterboss samt Gefolgschaft in seiner Rickscha die Szenerie und fordert die Dame auf den Weg freizumachen. Ein eleganter Sprung in die Luft und vier Streiche mit ihrem Schwert später, wird der frisch gefallene Schnee durch Blutfontänen in tiefrotem Blut getränkt. “Who the hell are you?”, stößt der Gangsterboss in seinen letzten Atemzügen aus, doch die Antwort ist uns allen schon längst bewusst…
Draußen wütet ein Schneesturm während im Innern eines Gefängnisses die Schreie eines frischgeborenen Kindes erschallen. Frauen gekleidet in roten Anzügen reichen der dem Tod nahestehenden Mutter ihr Kind:
“Yuki [Snow], you will live your life carrying out my vendetta. My poor child . . . you are an asura demon.”
Ein Kind, als Dämon geboren um die Rache der Mutter als Inkarnation in die Welt zu tragen. Jahrelanges Training musste sich Yuki aussetzen um zu einer hervorragender Schwertkämpferin und nahezu herzlosen Waffe zu werden. Alles um die entsetzlichen Morde an ihrer Familie zu rächen, die von einer Bande abgeschlachtet und geschändet wurde. “Vengeance is her only reason for living” treffender hätte man es im Trailer kaum beschrieben können, denn Lady Snowblood dreht sich um nichts als Rache und all diejenigen, die ihr zum Opfer fallen.
Wer das alles hört, muss sich nicht wundern, dass Quentin Tarantino absolut begeistert war von Lady Snowblood. Nicht nur auf Storyebene, sondern vor allem auf inszenatorischer Ebene hat er sich für Kill Bill inspirieren lassen. Sogar so stark, dass “Shura no Hana” (“The Flower of Caranage”) einer der Originalsongs in seinem eigenen Film wieder aufgegriffen wird. Atemberaubende Zooms von Ultra-Wide-Shots- auf Medium-Close-Ups, von einer Felsklippe bis hinunter zur Küste, lassen den Film nicht nur
dynamischer wirken, sondern erschaffen eine ganz eigene Bildsprache, die sich Tarantino auch des Öfterenen zu eigen macht. Dazu ungewöhnliche Schnitte, Brüche von klassischen Staging-Regeln lockern Dynamiken zwischen den Charakteren oder lassen die Spannung noch weiter anschwellen. Untermalt mit Auszügen aus dem exploitationnahen Manga machen das Bild perfekt. Die Saga um Lady Snowblood, einer förmlich kaum greifbaren Figur, die aus Rache geboren ist und droht an dieser zu Grunde zu gehen. Ein großer Dank muss an Hauptdarstellerin Meiko Kaji gehen. Ihre Darstellung einer förmlich gefühllosen Rächerin bildet das Fundament all jener, die danach kamen. Einen reglosen und kalten Blick wirft sie ihren Opfern in ihren letzten Momenten entgegen bevor sie mit ihrem Schwert durch ihr Fleisch schneidet. Nahezu engelsgleicher möchte man sagen, wenn Yuki gehüllt in ein weißes Gewand durch ein schmutziges Arbeiterdorf streift. Denn nicht nur mit dem Schwert schneidet sie tief, auch mit ihrem Aussehen weiß sie die Szenerie zu spalten und alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nach diesem Auftritt ist es umso lobenswerter, dass Frau Kaji, Hollywoodrollen ablehnte, da sie keine gute Performance in einer anderen Sprache als Japanisch geben könnte.
Ein fantastischer Film und ein sehr gutes Beispiel dafür wie Künstler sich gegenseitig beeinflussen können., denn wie wir alle wissen: “Good artists copy, great artists steal.” Wer Interesse an Tarantino und seinen Einflüssen hat, findet mit Lady Snowblood nicht nur einen recht einfachen Einstieg, sondern vor allem einen grandiosen Film vor.
Regisseur: Toshiya Fujita
Genre: Drama, Mystery
Cast: Meiko Kaji Kô Nishimura Toshio Kurosawa Masaaki Daimon Miyoko Akaza Eiji Okada Shinichi Uchida Takeo Chii Noboru Nakaya Yoshiko Nakada Akemi Negishi
Crew: Screenplay: Kazuo Kamimura Kazuo Koike Norio Osada. Camera: Masaki Tamura. Producers: Kikumaru Okuda Robert J. Woodhead. Editor: Osamu Inoue. Production Design: Kazuo Satsuya. Music: Masaaki Hirao.
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Der beste Film den Hitchcock nie gemacht hat – so könnte man Henri-Georges Clouzot Thriller wohl am treffendsten beschreiben. In der heutigen Criterion Corner stelle ich euch den teuflischen Diabolique aus dem Jahre 1955 vor. Kommen wir nun zu Criterion Corner #1: Diabolique.
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