Bombshell – Tick, Tick, Tick, Tick, Boom!
Es ist ein bisschen paradox: Ausgerechnet Bombshell gewinnt den Oscar für das beste Make-up und Styling. Paradox zu all dem, was der Film eigentlich erzählen will: Die Geschichte vom sexuellen Belästigungs-Skandal um CEO Roger Ailes (John Lithgow) beim Sender Fox News. Und die Geschichte der drei Frauen, die ihn zu Fall bringen: Megyn Kelly (Charlize Theron), Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und die fiktive Kayla Pospisil (Margot Robbie).
Unsere Kritik zu Bombshell – Das Ende des Schweigens.
Fox News, das ist der erfolgreichste Nachrichtensender der USA – und dabei so erzkonservativ wie provozierend. 1996 konzipierte Roger Ailes, gegen den später Missbrauchs-Vorwürfe aufkommen, auf Anweisung von Rupert Murdoch den Sender, dem mitunter auch der Aufstieg Donald Trumps zu verdanken ist. Parallelen zum Weinstein-Skandal und der #metoo-Bewegung lassen sich zu Roger Ailes in jedem Fall ziehen. Systematisch soll Frauen die Karriere verbaut worden sein, die Ailes Avancen ausgeschlagen oder sogar gedroht haben, diese öffentlich zu machen. Beruflicher Aufstieg beim größten Sender – nur gegen persönliche Nettigkeiten beim Chef. Die Akte Fox News und Roger Ailes – aufgearbeitet in Bombshell – Das Ende des Schweigens.
Megyn Kelly (Charlize Theron) ist dabei das Aushängeschild von Fox News: blond, attraktiv, sexy. Schöne Beine sind bei dem konservativen Nachrichtensender gefragter als investigativer Journalismus und unbequeme Fragen. Als sich die Starmoderatorin vor laufenden Kameras mit Präsidentschaftsbewerber Donald Trump anlegt, hat sie keine Rückendeckung von oben zu erwarten: Senderchef Roger Ailes (John Lithgow) ist mit Trump befreundet, außerdem beschert der Krawallkandidat Fox News Topquoten – so auch mit seiner sexistischen Twitter-Kampagne gegen Megyn. Ihre gestandene Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) weigert sich, noch länger die „TV-Barbie“ zu geben. Daraufhin wird ihr Vertrag „wegen enttäuschender Einschaltquoten“ nicht verlängert – während die ehrgeizige Redakteurin Kayla Pospisil (Margot Robbie) nach einem Meeting hinter Roger Ailes’ verschlossener Bürotür aufsteigt… Als Gretchen ihren langjährigen Boss wegen sexueller Belästigung verklagt, formiert sich bei Fox News sofort „Team Roger“. Nur Megyn bleibt verdächtig neutral, auch Kayla schweigt. Aber wie lange noch?
Fehlzündung
So wichtig und aktuell institutionalisierter Sexismus, sexuelle Belästigungen und Missbrauch als Problematik sind. So interessant der Einblick in das mächtige Sendegeflecht eines Meinungsmachers ist. So sehr schafft es Bombshell am Ziel vorbei zu schießen. Charles Randolph, der Drehbuchautor, setzt ähnlich zu seinem früheren Werk The Big Short auf Leichtigkeit, Dynamik und Schnelligkeit. Insbesondere in der ersten halben Stunde besteht überhaupt kein Raum zum Durchatmen – und damit auch zum Reflektieren. Schnelle Schnitte, Non-Stop-Dialoge, unruhige Kamera-Bewegungen, Zoom über Zoom. Die Eröffnungssequenz, in der Charlize Theron als Megyn Kelly den Zuschauer in den Sender Fox News vorstellt, weist den Weg und das Tempo für den weiteren Verlauf. Allerdings wird dieses Stilmittel dann mehr schlecht als recht umgesetzt und wirkt dadurch komplett deplatziert. Wenn zum Beispiel in ruhigeren Szenen ab der Mitte des Filmes versucht wird, die Gefühlswelt der Protagonistinnen zu beleuchten, klafft eine Diskrepanz zwischen den Inszenierungen, die einfach nicht vermittelbar scheint. Für die Oberflächlichkeit mit der Bombshell seine Figuren betrachtet, trägt die Inszenierung letztlich ihr Übriges bei.
Es wird viel Zeit dafür aufgewendet, die Atmosphäre bei Fox News darzustellen, aber so unglaublich wenig mit dieser gearbeitet. Zentrale Fragen, wie die Rolle die Fox News in einer misogynen Kultur einnimmt? Oder das Problem von Frauen, in einer Männerdomäne nicht wegen ihrer Arbeit eine erfolgreiche Karriere bestreiten zu können? Unter den Teppich gekehrt. Stattdessen wird viel Zeit dafür aufgewendet, die Schwierigkeit des Aufsprechens und den erforderlichen Mut dafür darzustellen – aber die Gründe dafür nicht evaluiert. Wie eine Schale bleibt Bombshell vor allem eines: Gehaltlos. Das Ende des Schweigens, aber wo ist der Anfang?
Tonal erlaubt sich der Film leider ebenso unglaublich viele Fehltritte. Wenn die, einen kurzen Rock tragende, Kayla Pospisil zum Beispiel mittels einer Kamerafahrt an ihren Beinen entlang in Szene gesetzt wird. In einem Film, dem durchaus der Anspruch attestiert werden darf, sich ernsthaft mit sexueller Belästigung auseinandersetzen zu wollen. Die von Margot Robbie dargestellte evangelikale Christin hätte durchaus Potential in ihrer Figurenzeichnung gehabt – vor allem nach einem lesbischen Seitensprung mit einer Fox News-Kollegin, die auch noch Unterstützerin von Hillary Clinton ist. Wird diese Szene noch wichtig für den Film oder die Figur? Nein, natürlich nicht.
Ebenso wurde – wie auch schon bei The Big Short – die Darstellung realer Ereignisse und insbesondere Figuren ein wenig “freier” umgesetzt. Bei einem Thema, das so brisant wie das derzeitige politische Klima in den Vereinigten Staaten ist, überaus anprangerungswürdig und in meinen Augen die absolut falsche Entscheidung. Falsche Entscheidungen, das könnte auch der deutsche Untertitel zu Bombshell sein. Ein Film, der so viel mehr bieten könnte und der leider sehr wenig aus seinem Potenzial macht. Sehenswert vor allem, vielleicht ausschließlich, aufgrund der darstellerischen Leistungen in Verbindung mit dem – es mag grotesk klingen – großartigem Make-up.
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