Enstpannung? Fehlanzeige!
Ich habe erst letzte Woche meinen Urlaub für November gebucht. Wenn es hier in Deutschland grau und kalt wird, werde ich auf den Kanaren unter den Palmen liegen, Tapas bis zum Umfallen essen und mich auf faszinierende Wanderwege begeben. Was für den Normalsterblichen nach purer Erholung klingt, ist für andere Menschen allerdings dröge und unspektakulär. Sie suchen nach Action und Adrenalin: und nein, ich rede nicht von Raftingtouren oder Bungee-Jumping. Die Dokumentationsreihe „Dark Tourist“ von Netflix beschäftigt sich mi dem Thema Katastrophentourismus. Wir haben einmal reingeschaut…
Der neuseeländische Journalist David Farrier ist bekannt dafür, skurrile und außergewöhnliche Geschichten zu erzählen. Nun hat er sich auf die Reise um die Welt gemacht und klappert hierbei Orte ab, die besonders bei Katastrophentouristen besonders beliebt sind. In Medellin – der vielleicht gefährlichsten Stadt dieses Planeten – trifft er auf den berüchtigten Auftragsmörder Popeye, der einst als Handlanger von Pablo Escobar sogar seine eigene Freundin umbrachte. In Fukushima muss sich Farrier Atomstrahlung aussetzen und streift mit anderen Touristen durch die postapokalyptisch anmutende Geisterstadt. Und in Südafrika unterhält er sich mit weißen Separatisten, die jeden Tag um ihr Leben bangen müssen.
Auf den ersten Blick erinnert das Ganze doch sehr an eine große aufgebauschte Folge „Galileo“ auf Pro7, bei der ein Außenreporter um die Welt tingelt, um Wasserrutschen oder XXL-Schnitzel zu testen. Beim genaueren Hinsehen aber erkennt man doch klare Unterschiede. Rein qualitativ ist „Dark Tourist“ auf einem ganz anderen Level und arbeitet technisch sauberer und präziser. Der leicht humoristische Unterton wird mit gezielt kritischen Sequenzen gepaart und sorgt für den ein oder anderen Kopfschüttler: Zum Beispiel als ein hipper Japaner das perfekte Selfie schießen möchte – genau dort, wo 2011 20.000 Menschen von einer Tsunami-Welle getötet worden sind.
Der vielleicht wichtigste Punkt, der dafür sorgt, dass die Doku-Serie bei mir positiv in Erinnerung bleiben wird, ist jedoch die Sympathie von David Farrier selbst. Der 35-Jährige erinnert auf den ersten Blick an Dschungelcamp- und Supertalent-Moderator Daniel Hartwich – verzichtet dabei jedoch auf durchschnittlichen Slapstick-Humor. Stattdessen stellt er die genau richtigen Fragen und kommentiert gekonnt distanziert, ohne dabei jedoch unkritisch zu wirken. In Neuseeland erfeut sich Farrier genau deswegen großer Beliebtheit.
Tipp: Schon Farriers Dokumentation „Tickled“ von 2014 sorgte für sehr große Aufmerksamkeit – hier erkundete er damals eine seltsame Nischen-Gruppe, die sich in BDSM-Manier gegenseitig kitzelte und stoß dabei auf viele Abgründe…
Von Florian Teichert
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