Trauerarbeit mit Ricky Gervais
Wenn Ricky Gervais auf die Bühne tritt, freut sich das anwesende Publikum auf herrlichen britischen schwarzen Humor und auf reihenweise provokante Witze. Der britische Comedian weiß einfach ganz genau, wo er zustechen muss und wie er das einfache Volk auf seine Seite bekommt. Kein Wunder also, dass sich immer wieder Promis fürchteten, wenn Gervais als Host auftritt und das anwesende Publikum so aufs Korn nimmt (so geschehen bei den Golden Globes 2010, 2011, 2012 und 2016).
Doch nicht nur als Comedian, auch als Filmemacher und Schauspieler hat Gervais schon mehrfach überzeugt. Die Mockumentary-Serie The Office, das britische Original-Pendant zu Stromberg, stammt aus der Feder von Gervais und seinem Kumpel Stephen Merchant. In Zusammenarbeit mit BBC folgten weitere Comedy-Projekte wie Extras oder Derek (großartig, auf Netflix verfügbar).
In den letzten Jahren wurde es dann aber still um den gelernten Radiomoderator. Nach sieben Jahren kehrte Gervais 2018 mit einem neuen Bühnenprogramm zurück. Das Warten hat sich für die eingefleischte Gervais-Fangemeinde gelohnt – das Programm Humanity ist genauso schwarzhumorig und provokant wie erhofft (sehenswert, ebenfalls auf Netflix zu finden).
In diesem Jahr folgte dann mit After Life auch endlich wieder ein Serienformat, in dem Gervais sowohl hinter der Kamera, als auch vor der Kamera aktiv ist. Er fungiert als Regisseur der sechsteiligen Miniserie und konnte so seine ganzen Ideen ohne Einschränkungen verwirklichen. Vom typischen britischen Humor ist natürlich wieder allerhand vorhanden, dennoch schlägt Gervais diesmal auch wieder ein paar ernste Töne an, vergleichbar mit Derek, einer Serie die auch nicht nur plump ulkig daherkommt.
So stellt Gervais in After Life durchaus philosophische Fragen, regt zum Nachdenken an und presst dem ein oder anderen Zuschauer auch bestimmt mal eine Träne raus. Welchen Sinn hat das eigene Leben überhaupt noch, wenn man den über alles geliebten Partner verliert und plötzlich vor dem Nichts steht? Dieser Frage will Gervais in sechs Folgen á 25 bis 30 Minuten auf den Grund gehen.
Nach dem Tod seiner Frau Lisa (Kerry Godliman) sieht Lokalredakteur Tony (Ricky Gervais) keinen Sinn mehr im Leben und steht oft an der Schwelle zum Suizid. Er bringt es aber nie zu Ende – schließlich hat er Lisa doch versprochen, sich um den Hund zu kümmern. Als brutaler Zyniker und egoistischer Exzentriker macht es sich Gervais von nun an zur Aufgabe, auf Freundlichkeit zu verzichten und keine Rücksicht mehr auf seine Mitmenschen zu machen.
In dieser Rolle geht Gervais natürlich auf und schafft es immer wieder, die bitterbösen Züge glaubhaft in Szene zu setzen. Seien es die eigenen Redaktionskollegen, die Tony immer wieder mit herrlich schrägen Beleidigungen aufzieht oder der eigene Briefträger, mit dem er sich anlegt – an scharfen Sprüchen mangelt es vor allem in den ersten Folgen nicht. Doch auch die traurigen und herzzerreißenden Momente finden ihren Weg – zum Beispiel dann, wenn Tony sich Videoaufnahmen anschaut, die seine Frau kurz vor ihrem Tod für ihn aufgenommen hat.
So trifft Tony in seinem Alltag auf viele Figuren, mit denen er sich auseinandersetzen muss. Jobbedingt kommt er so immer wieder in unfassbar lustige Situationen (Stichwort: Hitler-Baby), denen er oft mit Sarkasmus begegnet. Von diesen Szenen hätte man sich noch deutlich mehr vorstellen können – im Tausch mit ein, zwei unnötigen Charakteren, hätte dies der Serie vielleicht einen noch besseren Flow gegeben.
Dennoch ist After Life eine wirklich warme, lustige und zugleich traurige Serie, die sich mit dem Thema Trauer und Trauerbewältigung auf einer durchaus zynischen Schiene auseinandersetzt, ohne dabei jedoch nur ansatzweise den Respekt zu verlieren. Diesen schmalen Grat meistert Gervais klasse – da die Serie schnell wegzuschauen ist, sollte man After Life unbedingt mal eine Chance geben.
After Life
Produktionsland: Großbritannien
Folgenanzahl: 6 (jeweils ca. 30 Minuten)
Verfügbar über: Netflix
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