Einschlafende Füße

Heute schreiben wir das Drehbuch für Kalte Füße! Okay? Okay! Dann komm mal rum hier und setz dich auf den Stuhl, ich zeig dir wie das geht:

Also zuallererst brauchen wir mal ein Setting. Sagen wir, wir befinden uns in einer zugeschneiten Villa, in der sich ein seit Kurzem querschnittgelähmte Hausbesitzer, seine Enkelin und ein Kleinverbrecher befinden. Klingt eigentlich ganz gut sagst du? Da kann man doch eine schöne Charakterstudie inszenieren? Hahahaha!! Nix da! Wir füllen das Ganze jetzt mal mit einer großen Portion Klischees und schmecken es für den Feinschliff mit einer ordentlichen Prise peinlichen Gags ab, so machen wir Filmemacher das nämlich hier in Deutschland!

Kalte Füße ist eine sexistische Vollkatastrophe

Kalte Füße beginnt damit die drei Hauptfiguren einzuführen. Wir sehen zunächst Heiner Lauterbach als Raimund der, zu Beginn noch vollkommen fit, erst mal allein einen Baum fällt, und im Anschluss seine Haushälterin und einen Polizisten zur Sau macht. Während die Haushälterin ihm gerade mitteilt, dass sie kündigen möchte bekommt Raimund einen Schlaganfall und ist fortan querschnittsgelähmt. Das ist auch gut so! Denn spätestens seit Honig im Kopf wissen wir ja, dass kranke, alte Männer, die ihr Leben nicht mehr selbstständig führen können, total süß und lustig sind!

Als nächstes sehen wir den jungen Denis, der trotz gutmütiger Mutter ziemlich auf die schiefe Bahn geraten ist. Schnell erfahren wir, dass er hohe Schulden bei Gangsterboss Adam (ja auch hier wird die Klischee-Keule von Schauspieler Aleksandar Jovanovic ordentlich geschwungen) hat und daher von eben diesem und seinem Handlanger Rene (breit, breiter, Rene… ihr merkt worauf das hinausläuft) gezwungen wird, in eine scheinbar leerstehende Villa einbrechen soll. Ebenjene Villa, in die Raimund bereits einen Tag vor Vereinbarung aus dem Krankenhaus zurückgebracht wurde.

Um das Trio zu vollenden kommt dann noch Raimunds Enkelin Charlotte dazu, die unfreiwillig von ihrer Mutter dazu verdonnert wurde, für einen Tag auf ihren Opa aufzupassen, bis am nächsten Tag der Pfleger kommt.

Auch Heiner Lauterbach kann “Kalte Füße” nicht zu einem guten Film machen © Sony Pictures Deutschland

Vorhersehbarkeit bis zum Abwinken

Ich möchte euch wirklich den Kinobesuch ersparen. Falls jemand bis hierhin doch noch Lust auf den Film bekommen hat, sollte er jetzt aufhören zu lesen, denn ich werde jetzt die „Geschichte“, für die selbst ein Bierdeckel zu groß werde, einmal in seiner Gänze wiedergeben:

Denis will den Opa ausrauben – plötzlich kommt Charlotte rein und hält Denis für den Pfleger – Denis muss deswegen so tun als wäre er der Pfleger – der Opa hasst ihn – am nächsten Morgen sind sie eingeschneit (Denis muss also noch länger den Pfleger machen – OH NOOO!) – Charlotte findet heraus das Denis doch kein Pfleger ist – und hasst ihn – weil es kalt ist und beide nichts zu tun haben, kommen sie sich näher – sie haben Sex und sich plötzlich ganz doll lieb – der Opa hat Denis jetzt auch lieb (weil der voll gut Frühstück machen kann!) – am Ende kommen die Gangster und wollen die Kohle haben – Denis, Charlotte und der Opa verstehen sich aber innerhalb von 24 Stunden so gut, dass sie die bösen Jungs überwältigen können und die Polizei sie letztlich abführen können. Ende!

Was mich am meisten an Kalte Füße stört, sind nicht die vorhersehbare Story oder die plumpen Charaktere. Was mich wirklich ärgert sind die Moralvorstellungen und Frauenbilder des Drehbuchautors.

Charlotte wird hier so dermaßen dämlich dargestellt, dass eigentlich jede Frau, die ein bisschen was auf sich hält, spätestens nach 30 Minuten den Kinosaal verlassen müsste. Sie ist nicht nur eine komplette Versagerin bei der Polizei, wo sie regelmäßig von ihren (natürlich männlichen) Kollegen vorgeführt wird. Sie ist gleichzeitig auch noch mit einem solchen liiert. Der benutzt sie nur für seine Zwecke und bandelt hinter ihrem Rücken noch mit anderen an. Natürlich ist Charlotte aber zu hohl in der Birne um das mitzubekommen.

Aber zum Glück gib es ja Denis! Okay, der vertickt zwar geklaute Handys, raucht Gras und bricht in Häuser ein um alte, wehrlose Männer um ihr Hab und Gut zu erleichtern. Aber er ist schließlich ein Mann! Ein breitgebauter, gutaussehender junger Mann, der das Herz ja eigentlich am rechten Fleck hat!

Schließlich ist es natürlich auch er, der Charlotte einen Kampfgriff beibringt, den sie bei der Polizei von selbst nicht hinbekommen hat. Tolles Frauenbild, dass Sie da geschaffen haben. Christof Ritter (Drehbuchautor von Kalte Füße) schreit dem Zuschauer quasi entgegen: „Du kannst als Frau alles schaffen! Solange du den richtigen Mann dafür an deiner Seite hast!“ – man möchte nur noch kotzen!

Eine echte Bruchlandung – dies ist auch das Fazit von “Kalte Füße”. © Sony Pictures

Traurig dass so ein Film gefördert wird

Zu guter Letzt kommt die fragwürdige Moral die hier geschaffen wird. Wenn dieses Desaster von Film ja nun zumindest Denis am Ende für seine Taten geradestehen lassen würde, er zumindest ein paar Wochen ins Gefängnis gehen müsste und danach Besserung schwört – aber nein. Denis bekommt das Mädchen, Denis darf jetzt mit dem Mädchen bei Opa in der Riesenvilla wohnen und überhaupt ist alles Friede, Freude, Eierkuchen.

Ach ja, und auch für die Leerlauf-Momente im Film ist natürlich standesgemäß gesorgt: dumme Gags! Hier ein kleiner Auszug: Denis fährt mit Ski gegen einen Baum (höhö!), Denis und Charlotte fallen aus einem Fenster und landen kopfüber im Schnee (hihi), der Opa (hahaha, der ist behindert!) rotzt Denis sein Essen ins Gesicht (iiiiiieh!) und natürlich das absolute Highlight des Films: Denis‘ Penis friert beim Pinkeln aus dem Fenster auf der Fensterbank fest… Wow!

Ich möchte an dieser Stelle noch meinen Dank aussprechen an den FilmFernsehFonds Bayern, die Film- und Medienstiftung NRW, die Filmförderungsanstalt, den Deutschen Filmförderfonds, die Beauftragte der Bundesregierung für KULTUR (das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen) und Medien, sowie die ganze Litanei auch nochmal in Österreich. Danke dass Sie solche Projekte unterstützen und nicht in etwa junge Regisseure mit guten Ideen, die mit dem Bruchteil des Geldes wohl ein wesentlich ambitionierteres Projekt auf die Füße gestellt hätten.

Bitte schaut euch diesen Film nicht an!


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