Internet in grell und bunt

Auf der Suche nach einem Ersatzteil, verschlägt es Ralph und Vanellope diesmal in die weite, weite Welt des World Wide Webs. Doch wo sollen Sie überhaupt mit ihrer Suche anfangen? Wir haben den neuesten Animationsstreifen von Disney gesehen und sind zwiegespalten…

Wer sich noch an Ralph reicht’s aus dem Jahr 2012 erinnert, dem hat der Film damals wohl relativ gut gefallen. Meine Wenigkeit gehört dazu. Auch wenn die Stimmen zum Film damals nicht wirklich überbordend waren, hat mir die Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren Ralph und der Zuckerprinzessin Vanellope gut gefallen. Hinzu kamen ein paar sympathische Abschweife in die Welt der Videospiele mit allerlei Cameos.

Was mir damals an dem Film gut gefallen hat: Er hat es geschafft, trotz zahlreicher Auftritte von Sonic, Q-Bert und Konsorten, den Blick auf die Hauptgeschichte gerichtet zu lassen. Was die Kritik vieler anderer Zuschauer war: Der Film konzentriere sich zu sehr auf ein Setting, anstatt die zahlreichen Möglichkeiten des Gaming-Kosmos wahrzunehmen. Das fand ich damals allerdings super, da man so nicht zu sehr durch allerlei Schabernack in der eh schon extrem bunten Welt abgelenkt wurde.

Ralph und Vanellope begeben sich auf die Suche nach einem wichtigen Ersatzteil. © The Walt Disney Company

Chaos im Film

Fast 7 Jahre später startet nun also Chaos im Netz auch in Deutschland. Disney war wahrscheinlich entweder bewusst, dass der erste Teil nicht überall auf Gegenliebe gestoßen war und hat daher den Titel krass eingekürzt. Oder aber man hat sich ausnahmsweise mal nicht dazu entschieden einen völlig irren Titel wie zum Beispiel Ralph reicht’s 2: Jetzt gibt’s was im Internet auf die Mütze auszuwählen. Mir soll’s recht sein, schöne Grüße an Baymax – Riesiges Robowabohu.

Um die Geschichte kurz zusammenzufassen: Der Film spielt circa sechs Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils. Ralph (hier leider nicht mehr wie im ersten Teil von Christian Ulmen gesprochen) und Vanellope sind nach wie vor beste Freunde und führen ein entspanntes, aber eintöniges Leben. Beide gehen ihrem Job als Videospielfiguren nach und treffen sich abends auf ein Bierchen bei Tapper’s. Alles wie gehabt, als eines Tages der Besitzer der Spielhalle einen Internetanschluss erhält.

Durch ein Malheur von Ralph, droht Vanellopes Videospiel abgeschaltet zu werden, wenn die beiden nicht im Internet ein Ersatzteil für den Daddelautomaten bekommen. Und so machen sich beide auf in die Weiten des Netzes.

Ironischerweise wird der Hauptkritikpunkt des ersten Teiles hier ausgemerzt: Die beiden Protagonisten springen von Wikipedia zu Youtube, von Snapchat zu Instagram, es gibt sogar einen kleinen Ausflug ins Darknet und – wie sollte es anders sein – selbstverständlich auch einen relativ langen Aufenthalt auf der Homepage von Disney. Der macht zwar besonders viel Spaß – Disney hat schließlich mittlerweile mehr als genug Marken unter seinem Dach um schöne Cameos einzubauen – allerdings zeigt diese Sequenz auch die größte Schwäche des Films auf.

Viele Internet-“Marken” werden aufs Korn genommen. © The Walt Disney Company

Lieblos im Netz

Chaos im Netz verstrickt sich so sehr in den Tiefen des Internets, dass kaum noch Zeit bleibt um die schöne Chemie, sowie die eigentlich für einen Kinderfilm interessante Weiterentwicklung dieser, zwischen den beiden Hauptfiguren in den Vordergrund zu setzen.

Immer wieder muss ein kurzer Gag einen aus der Story reißen und das wird mit Witzschnipseln gemacht, die in ein paar Jahren vermutlich nur noch die wenigsten nachvollziehen können. Schminktutorials hier, Pranks da, Reactionvideos und überhaupt, die Youtuber-Klischee-Bombe ist relativ erdrückend und leider (genau wie die Originale) eher mäßig unterhaltend.

Das führt dazu, dass Chaos im Netz einige Längen hat bis nach fast 120 Minuten der Abspann läuft. Immerhin das Ende des Films ist überraschend konsequent. Selbstverständlich gibt es ein Happy End, dieses ist jedoch nicht unbedingt zu Hundertprozent Disney-like, mehr sei aber nicht verraten.

Absolutes Highlight – neben zwei gewissen „Prinzessinen-Sequenzen“, bildet dann noch die Post-Credit-Szene, die tatsächlich mit einem schönen Fourth-Wall-Breaking aufwartet.

Für Kinder zu viel, für Erwachsene zu wenig

Insofern man also schon etwas ältere Kinder hat oder der Hunger nach einem Disney-Animationsfilm zu groß ist, kann man sich Chaos im Netz durchaus anschauen. Kinder werden allerdings wohl leider einen Großteil der Anspielungen nicht verstehen, Erwachsene bekommen eine relativ substanzlose Story spendiert, die ständig den roten Faden verliert.

Eventuell will Chaos im Netz damit aber auch seinem Vorbild gerecht werden. Der Film ist ein bisschen wie das Internet selbst: haufenweise langweiliger und belangloser Kram und zwischendurch dann doch das extremlustige Video. Ob das aber so beabsichtigt war, wage ich zu bezweifeln.


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