Ein ganz besonderer Kinotag
Wenn ich eins in meinen fast sechs Jahren als Mitarbeiter im Kino – dreieinhalb davon auch als Theaterleiter – gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass ein Kino eigentlich ein Ort für kulturellen Austausch sein soll. Das ist – auch in den Programmkinos – immer seltener der Fall, da das Kinoprogramm immer flacher, die Filme immer vorhersehbarer und belangloser und das Publikum immer voreingenommener wird.
Nichtsdestotrotz kann Kino immer noch bewirken, dass Menschen sich nach dem Film zusammensetzen und sich über das eben Gesehene austauschen. Allen voran sind da natürlich die Sneaker, die oftmals in großen Städten eine eingeschworene Gemeinde sind. Aber oft genug haben mich auch Gäste nach dem Kinobesuch persönlich angesprochen und mich nach meiner Meinung gefragt. Einfach so. Das war eine der schönsten Seiten an dem Job.
Was man aber als Kinobetreiber niemals tun sollte, ist politische Stellung zu beziehen. Kultur ist schließlich für alle da, egal welcher Herkunft, Rasse, Sexualität oder eben politischer Gesinnung man ist. Das Kino soll ein Raum für jeden Menschen sein, ob nun um sich einfach unterhalten zu lassen, sich mit aufwändigen Dokumentationen weiterzubilden oder aber sich mit Zeitzeugnissen wie Schindlers Liste einen Eindruck davon zu machen, wie es in einer anderen Zeit war.
Persönliche Erfahung
Persönlich habe ich einmal die Bekanntschaft mit offensichtlich politisch Rechten gemacht, als wir – ohne uns großartig Gedanken zu machen – den Dokumentarfilm Wildes Herz über die linkspolitsche Musikgruppe Feine Sahne Fischfilet ausstrahlen wollten. Es dauerte nicht lange bis nach der Ankündigung des einmaligen Events erste E-Mails und Facebook-Nachrichten an uns herangetragen wurden, in denen teilweise Stammkunden unseres Kinos mit Boykott unseres Hauses drohten, insofern wir die Veranstaltung nicht absagen würden. Grund dafür war, dass es deren Meinung nach ein absolutes No-Go wäre, einen Dokumentarfilm über eine vom Verfassungsschutz beobachtete Band auszustrahlen.
Nun saßen wir damals mit allen Theaterleitern zusammen und entschieden uns dazu ein Statement an besagte Boykott-Droher zu verschicken. Unser Kino sei ein Raum für Kultur, distanziert sich aber selbst von dem Produkt. Thema für uns erledigt, Haken dran, es war ein toller Abend mit musikbegeisterten Jugendlichen und auch Erwachsenen.
Welche Frage sich mir damals aber in den Kopf brannte war, wie es denn nun wäre wenn ein Filmverleih an uns herantritt und uns einen gleichwertigen Film über eine rechtspolitische Band zur Ausstrahlung anbieten würde? Ich habe für mich nie eine Antwort gefunden und wüsste bis heute nicht, was ich tun würde. Wahrscheinlich würde ich – aufgrund meiner eigenen politischen Sicht – sofort ablehnen, jedoch muss man sich dann eben die Frage gefallen lassen: Warum das eine und nicht das andere?
Sogar die NY Times berichtet
Nun also das Cinexx aus Hachenburg: mein Haus-und-Hof-Kino. Die Betreiber dieses Kinos sind nun also Ende letzten Jahres hingegangen und haben einfach mal gnadenlos alles über Bord geworfen, was ich gelernt habe: Sie bezogen knallhart Stellung indem sie für die Wiederaufführung von Schindlers Liste am 27. Januar 2019 AfD-Mitgliedern kostenlosen Eintritt anboten.
Was folgte war nicht nur ein wahnsinniger Medienrummel durch den sogar die New York Times auf das 5-Säle-Lichtspielhaus aufmerksam wurde, sondern anscheinend eine so herbe Provokation für Partei-Nahestehende, dass es Mord- und Anschlagsdrohungen gab. Unglaublich unschön.
Kinobetreiberin Karin Leicher sprach vor der Filmvorführung von „sehr unschönen und nervösen Wochen vor dem Event“. Nachdem das Interesse an der Veranstaltung so massiv groß geworden war, ist man darauf umgestiegen, allen Besuchern kostenlosen Eintritt anzubieten. Für mich als ehemaliger Mitarbeiter waren entsprechend auch Karten hinterlegt worden.
Viel Lärm für wenig Lärm
Der Kinobesuch an jenem Tag war sehr seltsam. Man kam zum Kinoeingang und wurde nicht einmal in das Gebäude gelassen, ohne dass man einem Security-Mitarbeiter sofort seinen Namen mitteilen musste oder seine bereits erworbene Kinokarte vorzuzeigen hatte. Das führte bei mir auch zu leichter Verwirrung da ich die Karten von einer ehemaligen Kollegin hinterlegt bekommen hatte, welche dann zügig losrannte, nachdem der Sicherheitsmann mir sagte „es gibt keine Karten mehr, Sie dürfen nicht rein!“
Es ist also erstmal alles gut gegangen, jedoch wurde einem doch schon etwas mulmig nach dieser harten Gangart. Man muss dazu wissen: Das Cinexx in Hachenburg hat ein angeschlossenes Restaurant, sowie eine Bar, grundsätzlich ist also fast immer etwas los, nur eben an diesem Abend nicht, da anscheinend alle anderen Vorstellungen und Veranstaltungen hierfür abgesagt werden mussten.
Im Foyer angekommen wurde einem dann plötzlich bewusst, was man hier losgetreten hatte: Gefühlt an jeder Ecke stand Security-Personal, insgesamt wahrscheinlich an die 20 Mitarbeiter. Hinzu kamen allerlei Polizisten, später erfuhr ich, dass es zum Teil sogar Bundespolizisten gewesen sind die für Sicherheit sorgen mussten. Außerdem war jede Menge Presse vor Ort. Die lokale Zeitung und Fernsehsender sind bei größeren und kleineren Events im Cinexx eigentlich immer gesetzt, als man jedoch Mitarbeiter von SWR, ZDF und auch vielerlei internationale Pressevertreter sah, war man sich bewusst dass dies kein normaler Tag im Kino war.
Was wahnsinnig positiv war: extrem viele junge Menschen, die den Film wohl zumindest noch nie im Kino – wenn überhaupt – gesehen haben waren vor Ort und Schindlers Liste hat eben auch nach 25 Jahren noch die Kraft, Emotionen im Menschen hervorzurufen die einem doch sehr stark suggerieren, dass der Holocaust eben kein „Vogelschiss in der Geschichte Deutschlands“ war, sondern das dunkelste Kapitel unseres Landes, auf das man immer wieder hinweisen sollte.
Abschließend stelle ich mir nach wie vor die Frage, ob das was man hier gemacht hat komplett richtig war. Ich denke ich werde noch lange darüber nachdenken müssen. Was aber auf jeden Fall stattgefunden hat, war ein kultureller Austausch: nach dem Film standen Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, der Ortsbürgermeister von Hachenburg, Landtagspräsident von Rheinland-Pfalz Hendrik Hering und – ach ja er war ja eingeladen – der AfD-Abgeordnete Joachim Paul für Gespräche zur Verfügung. Als kurze Anmerkung soll noch gesagt sein, dass außer Herrn Paul zumindest nach Außen sichtbar, niemand von der AfD die Veranstaltung besucht hat, um in den vom Kino gewünschten Dialog zu treten. Ebenso wenig gab es Applaus von Herrn Paul für Karin Leicher, als die ihre Rede mit den Worten beendete „Wir Kinobetreiber glauben an das Medium Film. Filme können viel bewirken und dem Menschen in der Welt Impulse geben. Wenn man damit nur einen Menschen zum Umdenken bewegt, hat man schon viel erreicht.“V
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