Das Kartenhaus bricht zusammen

Am 2. Mai startet auf Netflix-Deutschland die letzte Staffel der hochgefeierten Serie House of Cards – aber ohne Kevin Spacey. Doch kann Robin Wright als neue Präsidentin der USA Spaceys intriganten Frank Underwood das Wasser reichen?

Noch bevor House of Cards 2013 auf Netflix startete, ging ein gigantischer Aufschrei durch die Kino- und Serienwelt: Regisseur David Fincher, der u.a. durch Filme wie Fight Club, Sieben oder zuletzt Gone Girl zu den Besten seines Faches zählt, macht eine Polit-Serie – mit dabei: Die Superstars Kevin Spacey und Robin Wright.

So etwas hat es davor noch nie gegeben, dass sich hochkarätige Filmschaffende auf das bis dato noch unterschätzte Medium Fernsehen einlassen. Und dann handelt es sich bei Netflix noch nicht einmal klassischerweise darum, sondern um einen Streaming-Anbieter. Viele verstanden die Welt nicht mehr. Doch schaut man sich die heutigen Entwicklungen bezüglich Serien und Netflix an, dann versteht man, was diese Serie damals ins Rollen gebracht hat – am ehesten ist hier wohl der Oscar-Sieg von Roma in diesem Jahr zu nennen.

Streaming-Anbieter wurden von da an zu großen und wichtigen Mitspielern in der Unterhaltungsindustrie und zum größten Konkurrenten für Fernsehen und das Kino. Das Ganze kann man natürlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Konkret bedeutet diese Entwicklung nämlich, dass Kino und Fernsehen – wie man es bis dato kannte – bald nicht mehr existieren werden. Das ist natürlich schade, birgt aber auch eine Menge Möglichkeiten.

Frank (Kevin Spacey) ist tot und Claire (Robin Wright) ist an der Spitze… – © Netflix

Denn diesem Trend haben wir u.a. eine Reihe großartiger Filme und Serien zu verdanken. Und außerdem steht dem sonst sehr starren Hollywood und seinem veraltetem Studio-System eine Erneuerung ganz gut. Denn Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime geben ihren Film- und Serienschaffenden meist eine kreative Freiheit, die es so in der Unterhaltungsindustrie noch nie gab und immer noch nicht wirklich gibt.

Aber wie gesagt: Alles hat Licht- und Schattenseiten. So auch die Geschichte um House of Cards. Und nun kommt mit der sechsten Staffel (endlich) das Ende einer Serie, die schon seit langem einen ermüdenden Auf-und-Ab-Zirkus verfolgt.

Intrigen, Korruption und Mord

Angefangen hat alles mit ihm: Frank Underwood (meisterhaft gespielt von Kevin Spacey). In der ersten Staffel versucht er als Abgeordneter der Demokratischen Partei zusammen mit seiner eiskalten Frau Claire (Robin Wright) mit allen Mitteln ihre Macht im Weißen Haus auszubauen und langsam an die Spitze zu gelangen: Das Amt des Präsidenten.

Dabei schrecken sie vor nichts zurück, um ihre Position zu sichern. Intrigen, Verrat, und Korruption stehen bei dem gefühlskalten Pärchen bald an der Tagesordnung. Dabei gehen sie sprichwörtlich und wortwörtlich über Leichen. So werden einstige Verbündete und Eingeweihte ihrer Pläne politisch ausgehebelt, andere werden sogar ermordet. Die Hauptsache: Frank wird Präsident und ihre Taten dürfen nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Hört sich super an, oder? Ja, hat es sich auch einst. Aber leider erkrankte House of Cards an der gleichen Epidemie wie viele andere gute Serien: Sie wurde schlechter – und noch schlimmer: langweilig, vorhersehbar und richtig unglaubwürdig.

Frank (Kevin Spacey) und Claire Underwood (Robin Wright) – © Netflix

So hat es in den ersten zwei Staffel richtig Spaß gemacht dem Power-Couple Underwood beim Intrigieren und Morden zuzuschauen. Niemand war sicher vor den beiden – egal ob Journalisten, Geliebte, Kollegen oder einstige Freunde. Die Underwoods haben alles und jeden aus dem Weg geräumt. Und am Ende der zweiten Staffel kam dann der Lichtstreif am Horizont: Frank wird Vize-Präsident. Gut für ihn, aber schlecht für uns Zuschauer.

Denn ab diesem Zeitpunkt legt House of Cards eine Talfahrt ein – und zwar eine sehr lange. Die Geschichte wird immer unglaubwürdiger und vorhersehbarer, bereits etablierte und starke Charaktere werden abseits liegen gelassen oder nicht weiterentwickelt und die neuen Figuren sind oftmals schlichtweg uninteressant. So gibt es zwar einige Episoden in der dritten, vierten und fünften Staffel, die genauso stark sind wie in den ersten beiden. Aber im Großen und Ganzen wird House of Cards einfach nur langweilig.

Der einzige Lichtblick in der ganzen Misere: Kevin Spacey und Robin Wright. Die beiden spielen ihre Figuren so unfassbar gut. Und obwohl beide einfach nur widerliche Menschen sind, die für Macht alles tun würden, so ist man eigentlich immer auf deren Seite. Und wenn man es als Schauspieler schafft, einen eigentlich bösen Charakter so zu spielen, dass man als Zuschauer von ihnen begeistert ist, dann ist das ein Meisterstück.

Die Akte Spacey

Doch leider ist Kevin Spacey auch für den letzten Sargnagel der Serie verantwortlich. Ermutigt durch die Sexismus-Debatte um den Filmproduzenten Harvey Weinstein und der daraus entstandenen MeToo-Bewegung erzählte der Schauspieler Anthony Rapp im Oktober 2017, dass er 1986 mit 14 Jahren von Spacey auf einer Party sexuell belästigt worden sei. Weitere Anschuldigungen von anderen Männern folgten.

Netflix reagierte sofort und kündigte mit sofortiger Wirkung am 3. November die Zusammenarbeit mit Spacey an House of Cards und weiteren geplanten Projekten – und das wenige Wochen nach Beginn der Dreharbeiten zur sechsten und finalen Staffel. Somit musste das komplette Drehbuch umgeschrieben werden. Und Robin Wrights Claire Underwood, die am Ende der fünften Staffel zur Präsidentin wurde, war nun die einzige Hauptfigur

Kann Claire (Robin Wright) ihre Stellung verteidigen? – © Netflix

Hat Spacey seinen Rauswurf verdient? Absolut. Hat es der Serie geschadet? Leider ja. Der US-amerikanische Comedian Dave Chappelle machte darüber einen leicht geschmacklosen, aber passenden Witz: Und zwar wünsche er sich, dass Anthony Rapp die Geschichte mit Spacey erst ein paar Monate später erzählen hätte sollen. Denn dann hätte man sich das ursprüngliche Ende von House of Cards anschauen können.

Chappelle begibt sich mit dieser Aussage auf dünnes Eis, aber er hat dennoch Recht. Die letzte Staffel fühlt sich unstimmig, unfertig und unvollständig an. Spacey fehlt einfach. Aber das ist auch leider nur die Spitze des Eisbergs. Denn mit den acht Episoden der letzten Staffel fährt die Serie ihre Legitimation komplett an die Wand.

Das Kartenhaus bricht zusammen

Nachdem Frank aus unerklärlichen Gründen gestorben und Claire seit seinem Rücktritt Präsidentin ist, hat sich die Haltung der US-Bevölkerung gegenüber den Underwoods nicht wirklich verändert: Die Menschen sind mehr als unzufrieden mit ihrem nachweislich intriganten Staatsoberhaupt!

Natürlich wittern vor allem jetzt Claires Gegner den perfekten Zeitpunkt, die Machenschaften von ihr und Frank aufzudecken. Dabei legen Claire nicht nur alte Feinde, sondern auch neue eine Menge Steine in den Weg. Doch wie immer hat sie den ein oder anderen Plan in der Hinterhand …

Gleich vorweg muss man sagen, dass Robin Wright ihren Job – wie schon in den vorherigen Staffeln – phänomenal gut macht. Sie spielt Claire Underwood eiskalt, berechnend und bedrohlich. Von ihr geht ein unglaubliches Charisma, aber auch eine Gefahr aus, sodass man sich eigentlich ständig vor ihr fürchtet. Auch Michael Kellys Doug Stamper, der Vertraute der Underwoods, spielt gewohnt großartig.

Genauso wissen die Neuzugänge Diane Lane und Greg Kinnear als Gegenspieler von Claire zu überzeugen. Und auch der aus den vorherigen Staffeln bekannte Cast liefern eine super Vorstellung ab. Insgesamt hat man bei allen Schauspielern das Gefühl, dass sie für das Finale nochmal alles geben wollen. Das ist schön, aber leider zwecklos.

Denn die letzte Staffel von House of Cards ist leider auch die schlechteste der Serie. Hier nimmt die Geschichte um den Aufstieg der Underwoods und den Erhalt ihrer Macht so unsäglich unlogische Züge an, dass man sich nur ärgern kann – Stichwort: Schwangerschaft und weiblicher Stab.

Kann Doug Stamper (Michael Kelly) Claire noch aufhalten? – © Netflix

Franks Figur wird komplett diffamiert und zu einer Marionette von Claire degradiert. So wird behauptet, dass eigentlich sie schon immer der Hauptdrahtzieher hinter all den Machenschaften ihres Mannes war und er seinen „Aufstieg“ nur ihr zu verdanken hat. Claire hatte auf jeden Fall großen Einfluss auf ihn, aber definitiv nicht so einen großen.

Zudem hat Frank nun plötzlich schon immer ein Audio-Tagebuch geführt, in dem er über all die Verbrechen von ihm und seiner Frau spricht. Komisch, dass das in den vorangegangenen Staffeln nie erwähnt wurde, oder? Und egal was Spacey im echten Leben getan hat, seine Figur hat es nicht verdient, so behandelt zu werden.

War es schon in der vierten und fünften Staffel der Serie komplett unlogisch, dass Frank so lange sein Amt behalten konnte, so wurde es mit der Ernennung Clairs zur Präsidentin einfach nur lächerlich. Und wenn man den Machern der Serie diese Entwicklung schon nicht abgekauft hat, so seid gewarnt: Es wird noch schlimmer.

Denn während Frank noch versucht hat, seine Gegenspieler hauptsächlich politisch mundtot zu machen, bringt Claire sie jetzt einfach alle um. Und das heftige dabei: Sie kommt damit durch. Niemand vermutet etwas, als auf einmal mehrere Kritiker von ihr sterben. Da weiß man zunächst nicht, ob das faule Drehbuchschreibe oder einfach nur Dummheit ist. Doch spätestens beim großen Finale weiß man, dass es sich wohl um ersteres handelt…

Mit der letzten Staffel hat House of Cards ihr Erbe leider gegen die Wand gefahren. Ob es mit Spacey besser geworden wäre, ist eigentlich sicher. Aber ob es dann trotzdem gut gewesen wäre, ist auch zu bezweifeln, wenn man sich den Verlauf der Serie anschaut.

So hat man House of Cards wie eingangs schon erwähnt einiges zu verdanken. Umso trauriger ist der schleppende Niedergang der Serie, der nun seinen unwürdigen Abschluss gefunden hat. Das Kartenhaus ist zusammengebrochen – endlich.


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