Tolkien: Eine wackelige Reise nach Mittelerde
Nicolas Hoult spielt in Tolkien den berühmten Autor von Der Hobbit und Der Herr der Ringe. Aber ist das Biopic um den Urvater des Fantasy-Genres wirklich sehenswert oder so lahm wie ein billiger Groschenroman?
Der junge J. R. R. Tolkien wächst Ende des 19. Jahrhunderts in einer ländlichen Idylle eines Vororts der Industriestadt Birmingham auf. Doch diese schöne Zeit endet abrupt, als sein Vater stirbt und er mit seiner Mutter und seinem Bruder in die Stadt zieht. Und als auch sie plötzlich stirbt, kommt er in die Obhut der katholischen Kirche und somit in eine Pflegefamilie.
Dort lernt er Edith (Lily Collins) kennen und lieben. Auch an seiner neuen Schule findet er schnell drei neue Freunde, mit denen er einen Club gründet, in dem sie über Sprache, Kunst und Geschichte philosophieren. So beginnt er schon in seiner Jugend seiner blühenden Fantasie freien Lauf zu lassen und Geschichten zu schreiben.
Doch es ziehen erneut dunkle Wolken auf: Erst muss er Edith für sein Studium an der Oxford-Universität zurücklassen und dann wird er als Soldat in den Ersten Weltkrieg eingezogen. Er kehrt traumatisiert in die Heimat zurück. Noch ahnt er nicht, dass er die Welt der Literatur für immer verändern wird …
Ein Fest für Tolkien-Fans
Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass John Ronald Reul Tolkien (1892-1973) einer der ganz Großen war. In seinen Büchern erschuf er mit Mittelerde eine fantastische Welt voller spannender Abenteuer, interessanter Figuren, unglaublicher Wesen und inspirierender Geschichten. Der Herr der Ringe und Der Hobbit sind bis heute die Bibeln der Fantasy. Keine anderen Werke waren und sind so richtungsweisend und einflussreich für dieses Genre wie diese.
Auch die Verfilmungen von Tolkiens Stoffen zeigen, dass die Faszination für Fantasy ungebrochen ist. Nicht umsonst spielten die drei Herr der Ringe-Filme und die Hobbit-Trilogie etwa sechs Milliarden US-Dollar ein und wurden mit 17 Oscars ausgezeichnet. Allein elf davon gingen an Die Rückkehr des Königs, der bisher als einziger Film überhaupt in allen Kategorien, in denen er nominiert war, auch gewinnen konnte, u.a. als Bester Film.
Mit Tolkien steht nun zur Abwechslung der Autor und nicht seine Geschichten im Mittelpunkt – wobei es da einige Parallelen gibt. Doch leider muss man gleich vorneweg sagen, dass dieser Film die Geister scheiden wird. Tolkien-Fans kommen hier definitiv auf ihre Kosten. Wer allerdings ein fulminantes Spektakel über die Entstehung seiner Werke erwartet, wird schnell enttäuscht …
Ein wackeliges Denkmal
Bei Tolkien muss man wissen auf was man sich einlässt. Denn im Kern wird hier hauptsächlich die dramatische Liebesgeschichte zwischen ihm und seiner Frau Edith erzählt. Das ist der Motor der Geschichte – vor allem in der zweiten Hälfte. Dabei machen Nicolas Hoult und Lily Collins ihre Sache wahnsinnig gut. Sie spielen das Paar, das allen Hindernissen zum Trotz – sei es nun sein Abgang auf die Uni oder der Erste Weltkrieg – ihre Liebe zueinander nicht aufgeben, wirklich spektakulär. Aber da liegt auch schon der Knackpunkt.
So schön, überzeugend und gefühlvoll die beiden das auch machen, so kurz kommt der ganze – nicht unwichtige – Rest. Denn die meisten Zuschauer wollen wohl erfahren, wie Tolkien auf die Ideen für seine Meisterwerke gekommen ist. Aber leider werden diese Momente eher zu Randnotizen degradiert. Wenn er z.B. in einer Bibliothek sitzt und mittendrin „Mittelerde“ vor sich hersagt oder ihm auf dem Schlachtfeld Visionen über Drachen und schwarze Reiter überkommen, so wirkt das oft dramatisch erzwungen.
Manche dieser Referenzen gelingen dafür ganz gut. Speziell wenn es um die Sprache der Elben geht oder um seine Inspirationen für das Auenland, die vier Hobbits oder die Ents. Somit ist es an manchen Stellen charmant zu erfahren, wie viel Einfluss sein Leben tatsächlich auf seine Werke hatte – vor allem seine Kindheit.
Weitere Pluspunkte sind neben der beeindruckenden Ausstattung ganz besonders die Filmmusik. An vielen Stellen erkennt man deutliche Parallelen zum Soundtrack von Der Herr der Ringe und Der Hobbit. Hier ist von leichtfüßiger Streichermusik in seiner Jugend bis hin zu dunklen, schweren Tönen in den Schlachtszenen alles dabei. Da bekommt man direkt Lust sich diese Filme wieder anzuschauen.
Ansonsten ist Tolkien objektiv betrachtet schon ein sehr trockener und dröger Film. So richtig viel Spannung kommt eigentlich nie auf – da helfen auch die Ausflüge an die Front nichts. Zudem fühlt sich der Film deutlich länger an als er eigentlich ist, was bei einer Lauflänge von „nur“ 112 Minuten eigentlich nicht sein sollte. Und als dann endlich mal das passiert, weshalb wahrscheinlich die meisten im Kino sitzen (Tolkien fängt an Der Hobbit zu schreiben), ist der Film plötzlich vorbei.
Aber ist Tolkien nun sehenswert oder nicht? Ja und nein. Fans von Tolkien und seinen Werken dürfte der Film bestimmt gefallen, denn man bekommt einige schöne Infos über seine Inspirationen für die Bücher. Wenn man mit ihm aber gar nichts am Hut hat, besteht die Gefahr sehr schnell sehr gelangweilt zu sein. Weil wirklich spannend ist der Film nicht, was schade ist, da Tolkien selbst eigentlich ein aufregendes Leben hatte.
Somit bleibt Tolkien am Ende ein eher wackeliges Denkmal für einen der größten Autoren aller Zeiten, das wohl nur die Fans mögen werden. Alle anderen sollen sich dann einfach Der Herr der Ringe nochmal anschauen …
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