Forgotten – Bruderliebe auf Koreanisch

Gute Vorzeichen: Schon während der Entstehung des Drehbuchs hat sich Netflix die internationalen Vertriebsrechte am koreanischen Mystery-Thriller Forgotten gesichert. Ob der Film diesen frühen Vorschusslorbeeren gerecht wird oder besser „vergessen“ werden sollte, lest ihr in unserer Kritik.
Der Streifen des im Westen weitestgehend unbekannten Jang Hang-jun beginnt recht konventionell: Ein Albtraum reißt den jungen Studenten Jin-seok (Kang Ha-neul) schweißgebadet aus dem Schlaf. Er befindet sich gerade mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder Yoo-seok (Kim Mu-yeol) auf der Fahrt zu ihrem neuen Zuhause.
Das idyllische Häuschen mit Garten wirkt sofort vertraut und wird durch ein fleißiges Umzugsunternehmen noch am selben Tag vollständig eingerichtet. Nur ein Raum, in dem sich noch Dinge des Vormieters befinden sollen, darf ausdrücklich nicht betreten werden, zumindest bis dieser die Gegenstände abholt. Solange teilen sich die beiden Brüder ein Zimmer.
Der Schein trügt
Nachdem der an einer Angststörung leidende Jin-seok in der ersten Nacht laute Geräusche aus besagtem Raum hört, wird er von seinem Bruder auf einen kleinen Spaziergang im Regen eingeladen, um sich zu beruhigen. Im Laufe der Nacht wird Yoo-seok entführt, verschwindet 19 Tage und kehrt dann mit dissoziativer Amnesie ohne Erinnerung an die Ereignisse zurück.

Von diesem Ereignis geschockt, fallen Jin-seok mehr und mehr Ungereimtheiten auf. So beginnt er sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben und langsam an seinem eigenen Verstand zu zweifeln… Genretypisch wird die Geschichte – so viel darf verraten werden – natürlich nicht ohne massiven Twist zu Ende erzählt, der insbesondere durch einige anfangs ungalant wirkende Drehbuchkniffe an Schlagkraft gewinnt und populäreren Korea-Thrillern Regisseure in wenig nachsteht. Ein grenzenlos fatalistischer Sehgenuss mit einem Höhepunkt im zweiten Akt, der grandios aufgelöst wird.
Weniger ist manchmal mehr
Es hätte dem Film allerdings besser zu Gesicht gestanden, den Twist ein wenig später zu entwirren, denn das Pacing und vor allem die filmische Erzählung beginnen danach schnell fahrig zu werden und die grandiose Spannung der ersten Hälfte mehr und mehr abzuflachen.
Forgotten versucht dem durch immer mehr Twists entgegenzuwirken, verliert sich schließlich aber in seinem eigenen Plot und kann Nachvollziehbarkeiten in Charakteren und Handlung immer weniger sicherstellen. Man hat den Eindruck, dass Regisseur Jang Hang-jun hier auf Kosten der Stringenz ein bisschen zu viele Schockmomente erzeugen wollte und sich so gegen Ende in seinem Schaffen verliert.
Auch beim oft leicht ins Melodramatische abgleitenden Schauspiel einiger Darsteller wäre weniger mehr gewesen. Thriller-Fans, Korea-Freunde und Liebhaber fatalistischer Werke werden mit Forgotten allerdings großen Spaß haben, denn insgesamt ist die 109 Minuten dauernde Reise, eine, die man sicherlich lange nicht vergisst.

Forgotten ist der zweite Film des Seoultembers auf Popcorn und Nachos – ein Monat in dem wir uns mit dem koreanischen Kino beschäftigen. Die Idee des Seoultembers haben wir übrigens hier her.
Unsere Review zum Film Parasite hat den Seoultember übrigens eröffnet. Den ganzen Artikel könnt ihr hier nachlesen. Freut Euch auf weitere Filme in den nächsten Septembertagen…
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