Klaus – Auf Netflix geht die Post ab!

Klaus – der Titel des neuen Animationsfilms auf Netflix ist natürlich eine Anlehnung an die Sage um den Weihnachtsmann, die gerade in den Tagen und Wochen vor der Bescherung regelmäßig für große Kinderaugen sorgt. Warum Klaus auch bei uns für große Augen gesorgt hat und eine Empfehlung für Jung und Alt ist, erläutern wir euch in unserer Kritik.

Sergio Pablos ist im Segment der Animationsfilme tatsächlich kein komplett neuer Name. Auch wenn Klaus das Regie-Debüt des Spaniers ist, verdiente sich Pablos seine Sporen bereits als Produzent und Schreiber von Ich – Einfach unverbesserlich sowie als Animator und Designer in vielen anderen Disney-Produktionen. Nicht ganz überraschend also, dass nach diversen Absagen anderer Studios ausgerechnet Netflix ihr Vertrauen in Pablos und sein Projekt setzte. Sogar für die Kategorie des besten Animationsfilmes bei der nächsten Oscar-Verleihung schickte Netflix Klaus ins Rennen. 

Große Vorschusslorbeeren also für einen Film, der zu Beginn verdächtige Ähnlichkeiten zu Ein Königreich für ein Lama vorweist. Auf beiden Seiten haben wir einen hochnäsigen Adeligen, der sich lieber von seinen Angestellten bedienen lässt und sein Leben in Saus und Braus genießt. Keine Spur von Verantwortung und dem Ernst nehmen von wichtigen Aufgaben. Beide Protagonisten finden sich schließlich auch in einer für sie ungewohnten Umgebung wieder – weit weg von zuhause und ganz am Ende der Nahrungskette. Erst wenn sie als Person wachsen, zu sich selbst finden und sich ihrer Pflichten bewusst werden, dann erst kann ihre Rückkehr von Erfolg gekrönt werden.

Eintracht in Zwietrachting

Doch der Protagonist in Klaus heißt weder Kuzco noch wird er in ein Lama verwandelt. Stattdessen begleiten wir den egoistischen Postboten Jesper (Jason Schwartzman; dt. Stimme: Ralf Schmitz), der von seinen Vater ins Exil nach Zwietrachting verbannt wird, bei seinem Abenteuer. Eine Stadt, die bisher noch jeden Postboten gebrochen hat – der Name ist nämlich Programm. Ein jahrhundertelang andauernder Zwist zwischen den beiden Großfamilien Krum und Ellingboe verwandelt die Kleinstadt in einen grauen, vor Gewalt, Egoismus und Misstrauen überstromenden Moloch, in der jede Fröhlichkeit abhanden gekommen scheint. Verständlich also, dass unser Protagonist so schnell wie möglich das Weite suchen will.

Seine neue Aufgabe stellt Jesper vor so manches Problem © Netflix

All das soll sich ändern, nachdem Jesper den Eremiten und Tischler Klaus (J.K. Simmons; dt. Stimme: Rufus Beck) trifft. Bald darf der vom Leid geplagte Briefträger sogar sein erstes Paket ausliefern und einem Kind eine Freude machen. Moment, Freude?! In Zwietrachting!? Die Nachricht verteilt sich unter den Kindern wie ein Lauffeuer und bald kann sich Jesper vor Aufträgen nicht mehr retten: Endlich ist ein Ende seiner Leidenszeit in dieser vermaledeiten Stadt in Sicht! Durch ein wenig Überzeugungsarbeit bewegt er auch Klaus zur Mithilfe und versorgt nach und nach alle Kinder der Stadt mit neuem Spielzeug. Mit einer Arbeitsmoral, die man sich hier und da auch von real existierenden Paketdiensten wünschen würde.

Der Psychologe B.F. Skinner hat es in seiner Theorie der operanten Konditionierung schon auf den Punkt gebracht. Lernen durch positive Verstärkung: Die Kinder in Zwietrachting, die sich benehmen, werden mit Geschenken von Klaus belohnt. Währenddessen gehen böse Kinder leer aus. Durch die fortwährende Belohnung weiten die Kinder ihr Verhalten schließlich auf alle Lebensbereiche aus und werden zum Vorbild für die ältere Generation. Sogar die örtliche Schule, in der Zwischenzeit zum Fischmarkt umfunktioniert, erfreut sich unter der Leitung von Alva (Rashida Jones; dt. Stimme: Josefine Preuß) ungeahnter Beliebtheit.

Zugegeben, ein bisschen “OK Boomer” schwingt mit, aber schon bald wird durch den Domino-Effekt und die ansteckende gute Laune der Kinder aus Zwietrachting eine geschlossen Gesellschaft des Zusammenhalts und der Eintracht – sehr zum Missfallen der Oberhäupter der beiden Großfamilien, die sich mit dieser neuen Situation so ganz und gar nicht einverstanden zeigen…

Die schlittenziehenden Rentiere: Nicht wegzudenken und doch erst einmal unfreiwillige Helfer © Netflix

Die Legende um Santa “Klaus” ensteht

Die größte Stärke des Filmes besteht aus der Originalität und dem Einfallsreichtum, mit denen die einzelnen Elemente des Brauches um den Weihnachtsmanns organisch und überaus unterhaltsam in die Geschichte eingepflegt werden. Gewissermaßen ist Klaus nämlich eine Art Origin-Story um den Weihnachtsmann. Erzählt aus der Perspektive seines Freundes. Für das Publikum, dem die einzelne Aspekte natürlich bereits bekannt sind, ist es eine helle Freude an deren Entstehung teilzuhaben. Das Ausfüllen der “Wunschzettel” und die Belohnung für brave Kinder wurde hier ja schon angerissen, aber auch alle anderen Bestandteile werden hier sinnig und innovativ in die Geschichte eingearbeitet. Warum betritt der Weihnachtsmann Gebäude durch den Kamin? Warum ziehen Rentiere seinen Schlitten? Warum ausgerechten einen Schlitten? Und warum fliegt dieser eigentlich? Und warum eigentlich das seltsame rote Kostüm? All diese Fragen und noch viele mehr beantwortet Klaus in seiner eigenen charmanten Art und Weise.

Auch wenn – abseits dieser großartigen Ideen – die Dialoge manchmal an der Banalität kratzen und hier und da mit dem Kitsch übertrieben wird, präsentiert Klaus in seiner Umsetzung Liebe zum Detail. Visuell wird beispielsweise mit der Verwendung von Dutch Angles, Schärfeverlagerungen und gut gesetzten Zooms Mut bewiesen, während sich im Schnitt zusätzlich vor gut gesetzten Jumpcuts nicht gescheut wird.

Apropos Mut: Einen Rap-Song in einen animierten Weihnachtsfilm einzubauen, der nicht unpassend wirkt, davor muss ich meinen – nicht vorhandenen – Postboten-Hut ziehen. Von der tollen Optik mit karikaturesken Figuren, dem Detailreichtum, den wunderbar gezeichneten Hintergründen, den überragend gesetzten Lichtern, den handgezeichneten Animationen und der tollen Sounduntermalung will ich gar nicht erst anfangen. Wen stört es dann noch, dass die grundsätzliche Geschichte und deren Ausgang wenig von ebendiesem Mut aufweist? Mich nicht. Euch hoffentlich auch nicht. Ja – auf Netflix geht die Post ab.

 

Wer Lust auf noch mehr winterliche Animationsfilme hat, der hat bestimmt schon Die Eiskönigin 2 auf dem Zettel – das Sequel zum absoluten Kassenschlager aus 2013.

Mike hat sich den Film bereits für euch angesehen. Hier könnt ihr seine Meinung lesen! Ob auch dieser Streifen euer Herz erwärmen kann?


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