Criterion Corner #4: Hunger

Hunger – Steve McQueen zeigt in seinem Debütwerk die finalen Wochen im Leben des Kommandanten der Irisch-Republikanischen Armee Bobby Sands und seinem Hungerstreik. Mehr als zwei Monate leidet er für das woran er glaubt. Durch Hunger erhalten wir einen Einblick in die rohe Welt des Irischen Hungerstreiks von 1981 – Heute in Criterion Corner #4: Hunger 

There is no such thing as political murder, political bombing, political violence. There is only criminal murder, criminal bombing, and criminal violence. There will be no political status.

 
Mit diesem Zitat von Margaret Thatcher eröffnet Hunger. Die Insassen des Hochsicherheitstraktes des Maze-Gefägnisses wollen als politische Gefangene anerkannt werden. Sie gehören nämlich zur IRA – der Irisch-Republikanischen Armee, die für die Unabhängigkeit Irlands kämpft. Als Gefangene weigern sie sich Gefängniskleidung zu tragen, im Gefängnis zu arbeiten und beschmieren ihre Zellen mit Exkrementen und waschen sich nicht. Sich zu waschen wird jedoch von den Wärtern und den speziell dafür gerufenen Polizisten hart durchgesetzt. Misshandlungen, Demütigungen und Schläge stehen demnach auf der Tagesordnung. Über lange Zeit ändert sich nichts für die Inhaftieren und Bobby Sands ruft nach einem  Gespräch mit dem Priester den Hungerstreik aus. 
© Becker Films International

Durch eine Mischung aus intensiver Gewalt und extremer Brutalität befördert uns Steve McQueen erschreckend einfach in das Maze Gefängnis. Minutenlanges Ausziehen vor den Wärtern kommt einer Tortur gleich. Unbeobachtet werden Schläge mit den Knüppeln verteilt bis Blut durch das Haar schimmert. Unauffällig auffällig möchte man meinen und mitten drinnen die Inhaftierten IRA Mitglieder. Interessanterweise findet diese politische Thematik kaum innerhalb des Films statt. Lediglich in einzelnen Momenten und Dialogen flammt sie kurz auf und bietet so wesentlich mehr Breite, aber auch Tiefe als ein klassisches Historiendrama.

Dieser Tiefgang beginnt bereits im Prolog in dem ein Wärter, Raymond Lohan (Stuart Graham), sich auf den Weg zur Arbeit macht. Vorher hält er jedoch seinen verletzten Knöchel in kaltes Wasser und überprüft sein Auto nach Sprengstoff um später unerwartet hingerichtet zu werden. Ebenso tragisch einer der für die Reinigung der Gefangenen herbeigerufenen Polizisten. Mit Knüppeln werden die nackten Inhaftierten zur Voruntersuchung geprügelt. Fast bewusstlos und übersät mit blauen Flecken liegen sie am Boden – auf der anderen Seite des Bildes der junge Polizist mit Tränen in den Augen, traumatisierte von all dem was seine Kollegen und er dort anrichten. Eine außerordentlich intensive und rohe Filmerfahrung, vor allem da wir als Zuschauer nicht alles gezeigt bekommen. Zwischen die Schläge dringen Polizeiwesten, die Kamera schwenkt kurz vorbei oder der Körper liegt bereits schlaff außerhalb des Bildausschnitts. Durch diese filmische Inszenierung werden wir noch tiefer in die Umstände des Gefängnisses hineingesogen. Etliche Long Takes verhärten nur das Realitätsgefühl und kurze Zeit später wird es unangenehm anzuschauen.  

© Criterion

Vor der intensiven Darstellung des Gefägnissalltags der IRA Gefangenen muss man vor Steve McQueen bereits Hut ziehen, wären da nicht Michael Fassbender und Liam Cunningham. In der Mitte des Films treffen die Beiden für ein Gespräch aufeinander. 23 Minuten lang, davon der Großteil in einem Take. Der Priester und der Protestierende sitzen sich gegenüber und lassen ihren Glauben gegeneinander antreten. Kernstück des Gesprächs: der geplante Hungerstreik und der damit in Kauf genommene Selbstmord. Dient es dem Zweck oder ist dieser längst nach hinten gerückt und Bobby Sands will sich nur selbst zum Held ernennen? Ein Streitgespräch auf aller höchstem Niveau entbrennt und man klebt unweigerlich an Bobbys Lippen, als er abschließend eine Anekdote aus seiner Kindheit erzählt.  Dieses Mal sind wir Bobby jedoch ganz nah, sehen das Funkeln in den Augen und beginnen ihm zu glauben.

Bobby Sands (Michael Fassbender) hat kaum noch Kraft © Becker Films International

Hunger bietet grandioses Kino, welches nicht leicht zu verdauen ist und das auch gar nicht sein möchte. Man wird unabdinglich in den Bann gezogen, möchte wegsehen, kann jedoch nicht – dafür ist die Faszination für die Willensstärke um die Inhaftieren und Bobby Sands viel zu groß.

Du willst mehr aus der Criterion Corner sehen? Letzte Woche entführten uns Harold und Maude in ihre kleine Welt. Dort steht das Besuchen von Beerdigungen an des Tagesordnung, denn eins hat Harold gelernt: Niemals die Freude am Leben zu verlieren – Criterion Corner #3: Harold and Maude

Harold and Maude – der Kultfilm-Klassiker von Hal Ashby aus dem Jahr 1971. Wir erleben zusammen mit Harold und Maude zugleich eine Romanze, eine Tragödie als auch eine Satire. Gefüllt mit Spaß, Trauer, aber auch herzerwärmender Lebensfreude, die sich ohne Weiteres auf uns überträgt. Kommen wir zu Criterion Corner #3: Harold and Maude


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