Schocktober #06: Chained

Okay, zugegeben: So ein richtiger Horrorfilm ist Chained nicht. Eher eine düstere Charakterstudie des Bösen. Regisseurin Jennifer Chambers Lynch taucht in die Abgründe der menschlichen Psyche ab und hantiert dabei nur bescheiden mit Gewalt und Blut. Doch dennoch hat sich der Film aus dem Jahre 2012 einen Platz in unserem Schocktober redlich verdient.

Nach einem Kinobesuch wird der achtjährige Tim (Evan Bird) und seine Mutter vom Taxifahrer Bob (Vincent D’Onofrio) verschleppt. In seinem abgelegenen Haus bringt Bob Tims Mutter und nimmt den Jungen daraufhin als Sklave bei sich auf. Tim muss nicht nur das Haus sauber halten, sondern auch die Leichen der Opfer beseitigen, die Bob regelmäßig mit nach Hause bringt. Das geht über viele Jahre so, der mittlerweile deutlich ältere Tim (jetzt gespielt von Eamon Farren) ist gebrochen und hat sich mit seinem „Leben“ abgefunden. Eines Tages möchte Bob dann, dass Tim in seine Fußstapfen tritt…

D’Onforio brilliant

Kammerspielartig erweckt allen voran das Zusammenspiel zwischen D’Onofrio und Farren immer wieder allerhöchste Aufmerksamkeit. Farren (bis dahin weitestgehend unbekannt) spielt die verlorene und ängstliche Seele ziemlich gut und weiß mit seiner starren Mimik und seinen traurigen Augen durchaus zu gefallen. D’Onofrio ist allerdings das ganz klare Highlight des Films. Der Schauspieler brilliert in einer perfiden Art, wie man es selten sieht. Den Hass, die Aggressionen, die Machtgeilheit – D’Onofrio spielt ekelhaft, und genau das macht er so unfassbar gut. Das Drehbuch wirft hier dem Zuschauer aber natürlich auch Häppchen in Form von Flashbacks vor die Füße, die versuchen zu erklären, warum er so ist wie er ist. Auch das ist absolut authentisch. Besonders in Erinnerung bleibt vor allem die Szene, in der D’Onofrio nachts von Alpträumen geplagt wird.

Das Zusammenspiel zwischen Tim (Eamon Farren) und Bob (Vincent D’Onofrio) ist hervorragend © capelight pictures

Ein großes Lob muss aber auch generell an die Inszenierung des Films gehen. Lynch weiß genau, wann sie aufs Tempo drücken muss und wann man Szenen auch mal länger ziehen kann. Hier hat der Film das genau richtige Pacing und tappt damit nicht in die Falle, den Fokus falsch zu setzen. Obwohl im Leben der beiden Figuren immer wieder die gleichen Dinge passieren (Tim ist angekettet in der Wohnung, Bob bringt Opfer nach Hause), schafft es der Film, soviel zu erzählen. Oft vielleicht sogar nur durch kurze Blicke oder Bewegungen.

In Erinnerung bleibt neben D’Onofrios Leistung auch der spartanische, aber eindrucksvolle Look. Küche und Wohnzimmer des Killers sind die Hauptschauplätze, die erkennbare Einrichtung kann man sich durchaus bei einem echten Killer so vorstellen. Dreckig, trüb und glanzlos – Tims neue Heimat passt zum Film. Dazu weiß auch die Kamera genau, wie und wo sie zu stehen hat. Als Tim zwischen den Beinen von Bob auf dem Boden sitzt und mit ihm gemeinsam Fernseher schaut, könnte man auch meinen man hat Vater und Sohn dort sitzen.

Twists dürfen nicht fehlen

Als irgendwann dann auch Tim die „Nachfolge“ von Bob antreten soll und er von ihm verlangt, seinen ersten Mord zu begehen, kommt dann noch Angie (Conor Leslie) ins Spiel. Die Szene mit ihr fallen leider ein bisschen ab, dafür haben Farren und D’Onofrio die Messlatte zu hochgelegt. Dennoch ist auch ihre entscheidende Rolle in dem Film ordentlich inszeniert und Auftakt für einen packenden Showdown.

Dieser kommt dann natürlich auch nicht ohne Twists aus. Der eine dürfte bei der Erstsichtung dann doch einige Zuschauer überraschen, der zweite – ganz am Ende – ist dagegen nicht wirklich nötig gewesen. Dennoch: Chained macht auf seine ganz eigene Art ziemlich Spaß. Klaustrophobisch und explizit – dazu sicherlich ein sehr gutes Anschauungsmaterial für Hobby-Psychologen.


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